Aktuelles

Tagebuch (24)
Wenn in der Bibel Gott oder sein Engel auf einen Menschen zugeht, ist immer das erste Wort: „Fürchte dich nicht“. So auch an Ostern. Der Engel sagt dieses Wort zu den Frauen und auch der Auferstandene sagt es zu seinen Jüngern.
Gott weiß, dass wir Angst haben, dass sie zu unserem Leben gehört und das Motiv für viele unserer Handlungen ist. Wir brauchen, um leben zu können, ganz viel, und wir sind ständig in Sorgen, es nicht zu erhalten. Angst ist eine der häufigsten Empfindungen des Menschen, die sich praktisch auf alles richten kann. Letztlich steht hinter jeder Angst die Angst vor dem Tod. Wir wollen leben, und unser Glaube an ein Leben nach dem Tod ist in der Regel nicht so sicher, dass er uns diese Angst nimmt.
Die Welt ist in Aufruhr und Chaos (war sie das nicht immer?) und wir sitzen in einem schwankenden Boot bedroht von Wind und Wellen. Wir erfahren, dass wir die Welt nicht retten können. Aber immer wieder kommt Jesus auf uns zu und sagt zu uns: „Fürchte dich nicht!“
Auf den Gehorsam dieser göttlichen Weisung gegenüber müssen wir ein ganzes Leben lang hinwachsen, indem wir uns und unser Leben immer mehr loslassen, „gelassen“ werden, so dass wir, wie es im Gesang des Benediktus heißt, „befreit aus Feindeshand ohne Angst ihm dienen dürfen“. Trotzdem wird das Schiff unseres Lebens irgendwann kentern. Die letzte Beschwichtigung aller Stürme erwarten wir erst für das ewige Leben. Dann wird Gott uns nochmal fragen, warum wir solche Angst hatten, und uns wird keine vernünftige Antwort einfallen, nur ein erleichtertes Lachen.

In Mariendonk haben wir die Kar- und Ostertage fast normal gefeiert, wenn man ein Benediktinerinnenkloster ohne Gäste normal nennen will. Am Gründonnerstag gab es keine Fußwaschung, ich denke, jetzt ist nicht das Symbol dran, sondern der Gehorsam der Weisung Jesu gegenüber, einander zu dienen. In der Osternacht standen auf allen leeren Plätzen, wo sonst die Gäste sitzen, Kerzen und haben uns sehr eindringlich bewusst gemacht, dass wir stellvertretend für Sie alle die Osternacht feiern.
 
Tagebuch (23)
Es ist nicht einfach, in diesem Jahr einen Ostergruß zu schreiben, ich habe den Eindruck, dass „frohe Ostern“ in diesem Jahr schal klingen, wenn ich nicht sehr klar sage, was ich meine.
Ostern bedeutet 2020 nicht: eine festliche Liturgie, unbeschwerte Tage mit der Familie, Besuche bei Freunden und Verwandten, Ausflüge, Begegnungen, Reisen... Wir ahnen im Gegenteil, dass die Fastenzeit - die Zeit der Einschränkungen - noch lange dauern wird.
Und dennoch wünsche ich Ihnen, auch im Namen aller meiner Mitschwestern, von Herzen frohe und gesegnete Ostertage. Möge Gott seinen Segen auf Sie alle herabsenden und Ihre Herzen mit Freude und Frieden erfüllen!
Jesus wurde von Gott nicht im Tod gelassen, sondern er wurde auferweckt. Er erschien den Jüngern und seine wesentliche Botschaft an uns alle lautet: „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Jesus ist mit uns
    wenn wir beten
    wenn wir die Bibel lesen
    wenn wir einander lieben
    wenn wir miteinander weinen
    wenn wir leben
    wenn wir sterben.
Das ist die Verheißung von Ostern.
 
Station des Kreuzwegs auf unserem Friedhof. Photo: Helmut Schmitz
 
Tagebuch (22)
Heute, am Karsamstag, habe ich einige Texte aus dem biblischen Buch der Klagelieder zusammengestellt. Denn als Christ darf man klagen, man darf Gott sogar anklagen und ihm Vorwürfe machen, wichtig ist nur, dass man das Gespräch mit ihm nicht abbricht.

Du hast mich aus dem Frieden hinausgestoßen;  ich habe vergessen, was Glück ist.
Ich sprach: Dahin ist mein Glanz  und mein Vertrauen auf den Herrn.
Immer denkt meine Seele daran  und ist betrübt in mir.

Doch das will ich mir zu Herzen nehmen,  darauf darf ich harren:
Die Huld des Herrn ist nicht erschöpft,  sein Erbarmen ist nicht zu Ende.
Neu ist es an jedem Morgen;  groß ist deine Treue.

Mein Anteil ist der Herr, sagt meine Seele,  darum harre ich auf ihn.
Gut ist der Herr zu dem, der auf ihn hofft,  zur Seele, die ihn sucht.
Gut ist es, schweigend zu harren  auf die Hilfe des Herrn.

Denn nicht für immer  verwirft der Herr.
Hat er betrübt, erbarmt er sich auch wieder  nach seiner großen Huld.
Denn nicht freudigen Herzens  plagt und betrübt er die Menschenkinder.

Wer hat gesprochen und es geschah?  Hat nicht der Herr es geboten?
Geht nicht hervor aus des Höchsten Mund  das Gute wie auch das Böse?
Prüfen wir unsre Wege, erforschen wir sie  und kehren wir um zum Herrn!

Du, Herr, thronst ewig,  dein Thron besteht von Geschlecht zu Geschlecht.
Warum willst du uns für immer vergessen,  uns verlassen fürs ganze Leben?
Lass du, Herr, uns zurückkehren zu dir,  dann kehren wir um!  Erneuere unsere Tage wie in der Urzeit.
Oder hast du uns denn ganz verworfen,  zürnst du uns über alle Maßen?

Station des Kreuzwegs auf unserem Friedhof. Photo: Helmut Schmitz
 
Tagebuch (21)
Als Christen haben wir nicht den Trost, dass es wohl nicht so schlimm kommen wird und dass wir gewiss alles überstehen werden. Nein, wir werden alle sterben. Vielleicht nicht jetzt und nicht an dem Covid-19-Virus, aber was bedeutet das schon? Auch wenn wir die jetzige Krise und noch 27 andere überleben, werden wir einmal sterben. Wir haben auch nicht den Trost, dass Gott die retten wird, die „lieb und brav sind und seinen Geboten folgen“. Wenn es Jesus, der ohne Sünde war, nicht vor dem Tod bewahrt hat, wird er uns auch nicht bewahren. Aber wir glauben an ein Leben jenseits der Todesgrenze, das ist die Botschaft von Ostern.
In allen vier Berichten, in denen das Leiden Jesu erzählt wird. ist ein Detail gleich: Jesus stirbt nicht allein, sondern er ist einer von Dreien, die an diesem Tag hingerichtet werden. Und noch in einem weiteren Detail stimmen die Berichte überein: Jesus ist in der Mitte! Vielleicht dürfen wir wagen, auch umgekehrt zu formulieren: Seit Jesus inmitten von zwei Verbrechern, inmitten zweier Menschen wie wir alle, gestorben ist, stirbt niemand mehr allein, so verlassen er in seiner Todesstunde auch sein mag. Jesus ist jedem Sterbenden nahe, auch denen, die in diesen Tagen und Wochen einsam und ohne menschliche Nähe auf einer Intensivstation sterben. Und was noch mehr ist: Er ist nicht nur im Sterben bei ihnen. Er erwartet sie jenseits des dunklen Tores, durch das jeder Mensch hindurch muss, im strahlenden Licht seiner Auferstehung.
 
Station des Kreuzwegs auf unserem Friedhof. Photo: Helmut Schmitz
 
 
Tagebuch (20)
Das Leitwort des Gründonnerstag ist Hingabe: Jesus gibt sich hin im Dienst an seinen Jüngern, er gibt sich hin, indem er  ihnen die Füße wäscht, und er gibt sich hin in der Eucharistie, in der sein Sterben für uns sakramental vergegenwärtigt wird.
Doch auch der Vater ist reine Hingabe. Er gibt seinen Sohn in unsere Welt, obwohl er weiß, wie wir sind. Ja, bereits bei der Zeugung des Sohnes gibt der Vater sich ganz und gar hin und behält nichts von sich zurück. Es wäre falsch und eine von der Kirche zurückgewiesene Irrlehre zu meinen, der Vater habe erst existiert und dann den Sohn gezeugt. Im menschlichen Bereich, d.h. im Bereich der Zeit, ist es natürlich so, dass ein Mensch erst da sein muss, um dann zu zeugen; kein Mensch ist immer schon Vater. Von Gott aber glauben wir, dass er nie nicht Vater war - auch das Wort “war” ist hier schon wieder zeitlich und damit falsch -, sondern dass er von Ewigkeit her den Sohn zeugte. Die Person des Vaters ist dadurch bestimmt, dass er sich ganz und gar verschenkt.
Das freie Tun des Vaters ist immer Schenken und Geben, das freie Tun des Sohnes ist, Danken, Empfangen und Gehorchen. Das wird in der Bibel besonders im Johannesevangelium deutlich. Dort wird einerseits die totale Bezogenheit des Sohnes auf den Vater ausgedrückt und andererseits seine dem Vater gleiche Göttlichkeit und Macht. Das aber bedeutet, dass in Gott Empfangen und Sich-Verdanken genauso göttlich und frei ist wie Ursprung-Sein und Sich-Verschenken. Dieser Gedanke ist für uns schwer zu vollziehen. Insgeheim meinen wir doch immer, dass Geben mehr ist als Empfangen, Herrschen mehr als Gehorchen. Darüber nachzudenken, dass es in Gott anders ist, würde zum Gründonnerstag passen.
 
Station des Kreuzwegs auf unserem Friedhof. Photo: Helmut Schmitz