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Spr 16,22

Als Dreizehnjährige schwärmte ich für meinen Klassenlehrer; außerdem hatte ich wie alle pubertierenden Mädchen damals ein Poesiealbum, in das - wahrscheinlich zu ihrem Leidwesen - auch die Lehrer etwas hineinschreiben mussten. Der von mir angeschwärmte Lehrer schrieb Sprüche 16,22: „Wer Verstand hat, dem ist er eine Quelle des Lebens, doch die Strafe der Toren ist die Torheit.“ Kindlich eingebildet wie ich war, las ich nur den ersten Teil und hielt den Eintrag für ein Kompliment, bis ich in den Poesiealben meiner Mitschwestern feststellte, dass Dr. Lessing denselben Satz bei jeder von uns eintrug. 
Als ich den Spruch heute in der Lesung hörte, musste ich in Gedanken an meinen kindlichen Hochmut lächeln. Zugleich frage ich mich aber, ob ähnliches nicht oft bei Bibeltexten passiert: Wir identifizieren uns mit Jesus, den Jüngern oder dem Geheilten und sind doch in Wahrheit Herodes oder ein Pharisäer.