Blog von Schwester Christiana
Der Begriff „Charisma“ wird verschieden verwendet. Zunächst sind damit die Gaben gemeint, die jeder Mensch von Gott bekommen hat, nicht für sich selbst, sondern für die anderen. Das können sehr stille Gaben sein: die Gabe zuzuhören, die Gabe ohne großes Aufhebens Dinge aufzuräumen, die Gabe, etwas geduldig zu ertragen. Oder auch auffälligere Gaben wie die Gabe zu leiten oder zu lehren.
Wenn man aber von jemandem sagt, er sei ein Charismatiker oder fordert, der neue Papst müsse ein Charismatiker sein, dann ist in der Regel die Fähigkeit gemeint, andere mitzureißen, also nicht nur zu lehren, sondern aufhorchen zu lassen, vielleicht sogar Showmaster-Qualitäten zu haben.
Aber muss Papst Leo XIV in diesem Sinn ein Charismatiker sein? Ich bezweifle das, denn das Papsttum ist ein Amt, kein Charisma. Von einem Amtsträger verlangt man vor allem, „dass er sich als treu erweist“ (1Kor 4,2), d.h. sich um keine menschlichen „Gerichte“ kümmert, sondern allein das Wort Gottes und die Lehre der Kirche als Maßstab nimmt. Wenn er das tut, wird er ein guter Papst sein.
„Jemand der nichts anderes als nur Gott allein sucht, erhält, was er sucht. Erstens: er erhält nichts anderes. Zweitens: er erhält Gott“ (M. Casey).
„Ich wäre gerne Papst.“ Ein solcher Satz zeigt deutlich, dass der, der ihn ausspricht, nicht weiß, was das Papstamt bedeutet. Ein Papst ist kein autonomer Herrscher, der endlich an die Macht gekommen jetzt seine Vorstellungen verwirklichen kann. Der Papst darf nur lehren und bestimmen, was der Weisung des Herrn entspricht. Er ist so absolut verpflichtet auf das Evangelium und die Überlieferung der Kirche, dass seine Privatmeinungen keine Rolle mehr spielen, was nicht heißt, dass er dem Amt nicht auch seinen persönlichen Stempel aufdrücken kann. Sein ganzes Leben wird zur Stellvertretung. In dieser Weise in Dienst genommen zu werden, ist etwas Großes und Grund zu Freude und Dankbarkeit, aber wünschen kann man es sich nicht, sondern nur, wenn es einen trifft, mit Furcht und Zittern Ja sagen. Mir jedenfalls tut der Mann leid, der in wenigen Tagen Papst wird, und ich bete, dass er die Kraft hat, dieses Ja zu sagen und vor allem es auch zu leben.
Der heilige Athanasius, dessen Gedenktag die Kirche heute begeht, hat gegen Arius die Gottheit Jesu Christi verteidigt. In der heutigen Messe würdigte der Priester seinen Beitrag zur Christologie, „auch wenn die meisten meiner Gemeindemitglieder eher der Lehre des Arius anhängen...“
Dieser Satz geht mir heute den ganzen Tag über nach, aber auf eine etwas verdrehte Art und Weise erscheint er mir als ein Grund zur Freude. Denn ist es nicht immer so, dass wir, die Glieder der Kirche selten den vollen Glauben der Kirche haben; selbst wenn wir unser Christsein ernst nehmen, sind wir bestenfalls auf dem Weg zu ihm. Den vollen Glauben haben von Geist erfüllte Heilige wie Athanasius, letztlich aber nur die Kirche als Ganze. Doch auch wenn mein eigener Glaube - vielleicht ohne dass ich es weiß - mangelhaft ist, als Glied der Kirche habe ich Anteil am ganzen Glauben und das ist für mich ein Grund zur Freude und Dankbarkeit.
Von allen Osterevangelien berührt mich Joh 21,1-14 am meisten:
- Jesus braucht das nicht, was ich ihm bringe. Der Satz, er habe nur unsere Hände, ist Unfug. Jesus hat auch ohne mein Zutun alles, was er will. Aber ich darf das, was ich gefangen habe, dazulegen.
- Es gibt in der Kirche die, die Jesus erkennen und die, die in den See springen. Beides sind Charismen, die gebraucht werden.
- „Keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.“ Das drückt sehr genau meinen Glauben aus: Ich weiß, dass es Jesus ist und trotzdem würde ich mich immer wieder gerne vergewissern.
Die Bilder aus Rom sind beeindruckend: So viele Menschen, die an der Beerdigung von Papst Franziskus teilnehmen und damit ihre Verehrung für ihn zum Ausdruck bringen. Dennoch: Ich habe keinen Sinn für Beerdigungen, denn ich glaube, dass die Verstorbenen leben. Natürlich muss man ihren Leib mit Ehrfurcht bestatten, denn er war viele Jahre Tempel des Heiligen Geistes, aber ich bin überzeugt, Papst Franziskus findet diese internationale Riesenfeier etwas übertrieben. All die vielen Politiker, die gekommen sind, um ihm „die letzte Ehre zu geben“ und jetzt ernst und betroffen auf den Altar schauen oder zum Sarg, sollten ihm lieber allerletzte und allerallerletzte usw. Ehren geben, indem sie auf seine Botschaft hören (z.B. die am Ostersonntag!) und sie befolgen.