Blog von Schwester Christiana
Warum nur lernt man so wenig aus seinen Erfahrungen? Immer wieder habe ich erlebt, dass Dinge, die ich für mich oder andere als etwas, was auf keinen Fall geschehen darf, als ein Unglück, das zutiefst traurig macht, eingeschätzt habe, sich im Nachhinein nicht nur als weniger schlimm, sondern oft sogar als Durchbruch zu etwas Gutem herausgestellt hat. Und doch fällt es mir immer noch schwer, einfach zu vertrauen, immer wieder denke ich zunächst: Oh nein, das darf nicht sein.
Von dem jüdischen Religionsphilosophen Abraham Joshua Heschel gibt es zwei Bücher, die beide sehr lohnend sind: „Gott sucht den Menschen“ und „Der Mensch fragt nach Gott“, wobei „Gott sucht den Menschen“ sehr viel umfangreicher ist. Im Evangelium gibt es die Weisung Jesu: „Klopft an und es wird euch geöffnet“ und die andere: „Seid wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen, wenn er kommt und anklopft!“ Auch hier ist wichtiger als dass wir bei Gott anklopfen - das tun wir als bedürftige Wesen ständig, sei es auch nur in Seufzen - dass Gott bei uns anklopft. Er tut das unaufhörlich, aber wie selten öffnen wir die Tür. Entweder wir hören sein Klopfen gar nicht oder wir verschieben das Öffnen auf einen günstigeren Zeitpunkt, „wenn wir Ruhe haben...“ Wirklicher Glaube wäre, die Seele nicht nur hin und wieder für Gottes Wort zu öffnen, sondern sie offenstehen zu lassen, sie nicht mehr zu schließen. Bezeugt ist das von Maria, wir anderen können nur versuchen, uns gegen Tür, die sich immer wieder schließen will, zu stemmen.
Ich sitze im Zug zwischen Stuttgart und Frankfurt auf der Rückfahrt von einer Äbtetagung. Natürlich hat der Zug Verspätung und ist überfüllt, natürlich wird rings um mich geschimpft und von schwierigen Bahnfahrten erzählt. Die Diagnose ist in der Regel nicht originell: Man muss endlich genügend Geld in die Hand nehmen und die Bahn modernisieren. Grundsätzlich richtig, nur gilt das auch für die Straßen, die Schulen, die Krankenhäuser, die Bundeswehr.... die Liste ist endlos. Ich frage mich, ob gesamtgesellschaftlich (und auch kirchlich) nicht dasselbe gilt wie für unsere Klöster, wir leben in viel zu großen Häusern. Auf Dauer werden wir nicht mehr alles instand halten können, sondern müssen vieles aufgeben, z.B. unsere jahrzehntelang unproblematische Mobilität, unseren Anspruch alles, was medizinisch machbar ist, auch zu bekommen und unsere Vorstellung, dass der Staat für uns zu sorgen hat.
Friedensgebet aus den Psalmen
Herr, unser Gott, unsere Welt ist geprägt von Hass, Grausamkeit, Zerstörung und Lüge. Wir alle sind mitschuldig daran
- denn wir haben, statt dich zu suchen, uns selbst und unsere Bequemlichkeit gesucht
- wir folgten nicht deinem Sohn Jesus Christus, sondern unseren eigenen Plänen
- wir vertauschten immer wieder die Wahrheit mit der Lüge.
Jetzt erleben wir, dass das Böse auf uns selbst zurückfällt und sind voll Angst und Sorge. Doch wir vertrauen darauf, dass du, Herr, uns verzeihst, dass du für alle, die zu dir rufen, reich an Gnade bist. Wir bitten dich:
- Lehre uns deinen Weg des Friedens und der Demut.
- Lass alle Menschen danach streben, deinen Namen zu fürchten.
- Wirke an unserer zerrissenen Welt ein Zeichen das Heiles.
- Lass die Taten derer, die Böses tun, keinen Bestand haben.
- Schaffe Recht den Bedrückten.
- Mach den Kriegen ein Ende, zerbrich die Panzer, zerschlage die Raketen und verbrenne alle Drohnen im Feuer.
Darum bitten wir im Namen deines Sohnes Jesus Christus. Amen.
Heute hatte ich eine Gruppe, die mich beeindruckte: Ältere Menschen, Männer und Frauen, die sich aus dem Glauben heraus in Kirche und Gesellschaft einsetzen. Alle sind längst in Rente, die meisten über 80, aber sie sehen, dass es viele Dinge gibt, die niemand macht, Not, für die sich niemand verantwortlich fühlt. Diese Menschen kümmern sich um andere, soweit es ihre eigenen Kräfte zulassen. Warum? Weil Jesus den Auftrag gegeben hat, den anderen zu dienen. Sie helfen dem Mann, der seine demente Frau pflegt und nun selbst dement wird, der Mutter, die eine Ausbildung macht und nicht weiß, wo ihr achtjähriger Sohn nach der Schule bleiben kann... jeder weiß, wie viel Not es auch in unserem reichen Land gibt. Hoffentlich macht dieses Beispiel Schule, wächst in vielen die Einsicht, dass der „Ruhestand“ nicht dazu da ist, um nichts zu tun oder um sich und seine Wehwehchen zu kreisen, sondern um frei von der verpflichtenden Berufsarbeit in neuer Weise als Christ zu leben.
„Was heißt das, ein Führer sein? Um zu führen, muss man den Weg wissen. Aber das ist nicht genug. Um den Weg zu führen, den man weiß, muss man auf ihm vorangehen. Ein Drittes jedoch gehört noch dazu: man muss die Schar, die man führt, wahrhaft beisammen halten. Beisammen, das ist noch etwas anderes als gemeinsam dem vordersten nachlaufen. Ein Leithammel ist kein Führer. Beisammen, das ist: einer mit dem andern vertraut, einer dem andern zugetan“ (M.Buber).