Blog von Äbtissin Christiana Reemts

Im Moment überarbeiten wir unsere Psalmenübersetzung, wobei wir uns an vorhandenen Übersetzungen orientieren, so auch an der Einheitsübersetzung von 2016. Dort wird Ps 2,12 übersetzt: „Küsst den Sohn, damit er nicht zürnt und euer Weg sich nicht verliert“, eine ganz wörtliche Übersetzung aus dem Hebräischen, die sich in evangelischen Übersetzungen durchaus findet. Bei der älteren Einheitsübersetzung hieß es dagegen, dass das Hebräische nicht verständlich sei, weshalb man übersetzte: „Küßt ihm mit Beben die Füße, damit er nicht zürnt und euer Weg nicht in den Abgrund führt“, was wir damals in ähnlicher Weise übernommen haben. „Küßt den Sohn“ klang irgendwie merkwürdig, vor allem gab es wahrscheinlich den unausgesprochenen Verdacht, so etwas könne im Alten Testament nicht stehen und würde sehr leicht einer nicht gewünschten christologischen Auslegung Vorschub leisten. Ich hoffe, dass wir diese wörtliche Übersetzung wieder in unser Psalmengebet hineinnehmen.
 
Sonntags singen wir in der Matutin das sogenannte Siegeslied am Schilfmeer, in dem es von den Ägyptern, die die Israeliten bei ihren Auszug verfolgten, heißt: „Du strecktest deine Rechte aus, da verschlang sie die Erde“ (Ex 15,12). Diese Aussage wird von Origenes, einem Theologen, der im 3. Jh. n. Chr. lebte, für Christen gedeutet:
„Scheint dir der nicht von der Erde verschlungen zu werden, der immer nur an die Erde denkt, der an irdischen Taten festhält, der von der Erde spricht, um die Erde streitet, die Erde haben will und all seine Hoffnung auf die Erde setzt? Der nicht zum Himmel aufschaut, der nicht an die Zukunft denkt, der Gottes Gericht nicht fürchtet und seine Verheißungen nicht ersehnt, sondern nur an das Gegenwärtige denkt und sich nach dem Irdischen sehnt? Wenn du einen solchen Menschen siehst, dann sollst du sagen, dass ihn 'die Erde verschlungen hat'... Dennoch darf man nicht völlig verzweifeln. Denn es ist möglich, dass der Verschlungene zur Besinnung kommt und wieder ausgespieen wird wie Jona (vgl. Jona 2,11) (Origenes, Homilien zum Buch Exodus 6,6).
Darin sehe ich keineswegs eine Aussage über „die anderen“, sondern ich frage mich oft, ob ich mich nicht selbst viel zu sehr von der Erde verschlingen lasse...
 
In der Eifel gibt es die sogenannte NS-Ordensburg Vogelsang, ein großes Gelände, auf dem die Nazis eine Schulungsstätte für ihre Führungsleute eingerichtet hatten und das erst seit 2016 wieder für alle offen ist. Eine beeindruckende Dauerausstellung („Bestimmung: Herrenmensch. NS-Ordensburgen zwischen Faszination und Verbrechen“) macht deutlich, wie die Nazis vorgingen. Einige Mitschwestern waren in diesem Sommer dort und erzählten, wie ähnlich manche Formen, die dort gelebt wurden, denen waren, die es früher auch bei uns gab. Sie äußerten Erleichterung, dass es nicht mehr so ist.
Ich sehe das genauso, zumal ich mich sehr intensiv mit dem Thema „Geistlicher Mißbrauch“ beschäftigt habe, aber zugleich glaube ich, dass wir in der Gegenwart durch all die Negativbeispiele aus dem Blick verlieren, welch hoher Wert Gehorsam ist. Wer meint, selbst am besten zu wissen, was gut für ihn ist, bleibt in der Enge des Eigenen und wird am Schluss auch nicht mehr auf Gott hören können.
 
„Die Vielfalt der zeitlichen Gestalten trennte den Menschen von der göttlichen Einheit und vervielfältigte seine Gefühle. So entstand eine lästige Fülle und sozusagen eine reiche Armseligkeit“ (Augustinus, Über die wahre Religion 21,41).
 
Nochmal zu meinem vorigen Blog:
Anruf einer Frau, die einen Eintritt bei uns erwägt und für einige Tage zu Besuch kommen möchte. Als alles geklärt ist und die Gastschwester das Gespräch gerade beenden will, kommt eine letzte Frage: „Gibt es bei ihnen Mundkommunion?“ - „Bei uns kann jeder die Kommunion so empfangen, wie er möchte.“ - „Aber ihre Gemeinschaft, wie hält die es?“ - „Wir empfangen die Kommunion ehrfürchtig mit der Hand.“ - „Dann kommt Mariendonk für mich nicht in Frage!“ Und zu Ende war jeder Kontakt.
Das ist die eine Seite. Die andere: Wir erklären unseren Gästen bei ihrem ersten Besuch, dass unsere Kirche nicht wünscht, dass Nichtkatholiken in ihr zur Kommunion gehen. Sie können aber den rechten Arm über die Brust legen und bekommen dann vom Priester den Segen. Neulich hörte ich, dass es katholische Gäste gibt, die nicht mehr zu uns kommen, weil wir so intolerant sind und evangelische Christen mobben...