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Blog von Schwester Christiana

03. Oktober 2024

Der junge Iraner, mit dem ich im Moment viel spreche, ist sehr pessimistisch in Bezug auf die weitere Entwicklung seiner Heimat. Er glaubt nicht, dass die Menschen gegen das Regime aufstehen werden, schon gar nicht glaubt er an die Möglichkeit einer friedlichen Revolution, wie es sie 1989 in unserem Land gab. 
Wir Deutsche sollten am heutigen Tag dankbar sein, dass es damals in unserem Land nicht zu Blutvergießen gekommen ist. Nicht alles lief in den folgenden Jahren optimal, aber insgesamt war die Wiedervereinigung dennoch ein Wunder. Warum sind wir Deutsche nur immer so unzufrieden? Manchmal habe ich den Eindruck, wir meinten, uns stehe eigentlich das Paradies zu... 

30. September 2024

Eine meiner Mitschwestern ist damit konfrontiert, dass ein naher Verwandter in seinem Testament eine völlig anonyme Beerdigung festgelegt hat,  obwohl er keineswegs alleinstehend ist, sondern Frau, Kinder, eine Schwester, Nichten und Neffen hat. Anonym heißt in diesem Fall wirklich anonym, weder Ort noch Tag der Beerdigung darf das Bestattungsinstitut bekanntgeben. 
Ein Mensch stirbt und verschwindet spurlos von der Bildfläche...
Sicher gibt es für eine solche Regelung Gründe, z.B. dass Menschen, die nichts miteinander zu tun haben wollen, sich auf dem Friedhof nicht treffen müssen. Aber traurig ist es trotzdem. Wir Menschen leben in Raum und Zeit und brauchen für die Trauer um einen Menschen einen Ort und eine Zeit. Aber da beides vor Gott letztlich keine Rolle spielt, haben wir im Kloster einen beliebigen Tag für die Totenmesse festgesetzt, ich denke, das Gebet braucht er wie jeder. 

27. September 2024

Immer wieder höre ich in Gesprächen von der Erschöpfung so vieler Menschen und erlebe, dass gerade die, die Verantwortung haben, irgendwann nicht mehr können und oft monatelang ausfallen. Ich habe bisher noch nie eine längere Auszeit gehabt und sie auch nicht gebraucht. Ich frage mich, warum das so ist. Sicher nicht, weil ich besonders gesund und stark bin, eher im Gegenteil. Schon als junge Frau konnte ich niemals die Nächte durchmachen, weder auf Partys noch in der Vorbereitung auf Prüfungen, spätestens um 22 Uhr war ich so müde, dass nichts mehr ging.  Auch nach der Schule war ich so kaputt, dass ich mich erst mal hinlegte, las, träumte... Ich glaube, diese Veranlagung hilft mir paradoxerweise,  Erschöpfung nicht aufzuspeichern. So gibt es für mich in erster Linie den Tag als Einheit, der fit beginnt und müde endet, höchstens noch die Woche mit dem Sonntag als Ruhetag, aber eigentlich keine Zeiten des totalen Einsatzes und Zeiten der völligen Erschöpfung.

24. September 2024

Immer wieder beeindrucken mich das Leben und die Schriften Etty Hillesums. Als Jüdin in den besetzten Niederlanden weiß sie sehr klar, was ihr blüht und doch weigert sie sich, auf die Greuel der Deutschen mit Hass zu antworten. „Ich weiß, dass die, die hassen, ihre guten Gründe dafür haben. Aber warum sollten wir immer wieder den bequemeren und einfacheren Weg wählen müssen? Ich habe... so stark erfahren, wie jedes Atom Hass, das man dieser Welt hinzufügt, sie noch unbewohnbarer macht, als sie schon ist. Und deswegen meine ich auch, vielleicht auf kindliche, aber doch auf hartnäckige Weise, dass die Erde nur durch die Liebe wieder ein wenig bewohnbarer werden könnte“ (aus einem Brief geschrieben im Dezember;  Etty Hillesum starb 1943 in Auschwitz).

21. September 2024

Wann findet Jesus mich schlafend (Mk 13,36)? Ich fürchte dann, wenn ich total beschäftigt bin mit den Sorgen des Alltags. Leider ist das im Moment oft der Fall. So viele Menschen brauchen meine Aufmerksamkeit, dass ich oft selbst im Gottesdienst nicht wirklich frei für ihn bin. Es gibt das harte Wort Jesu an Petrus: „Geh hinter mich, Satan“ und sofort im folgenden Vers: „Wenn jemand hinter mir hergehen will...“ (Mt 16,23f). Genau das ist das Problem: Ich bleibe nicht hinter Jesus, sondern laufe voraus, plane die Zukunft, überlege mir dies und das... Hinter ihm bleiben, darin liegt alles beschlossen.

17. September 2024

„Wenn Gott doch so gut ist... und alles weiß, was wir brauchen, viel besser als wir selbst, warum muss man ihn dann überhaupt bitten? Ich erwidere: Wie, wenn Gott wüsste, dass wir gerade das Gebet zu allererst und am meisten nötig haben? Wenn der Hauptsinn des Gebetes für Gott darin bestünde, uns zu geben, was wir am meisten brauchen: Sich selbst . . . Der Hunger mag das entlaufene Kind nach Hause treiben, und vielleicht wird es sogleich Nahrung erhalten, vielleicht auch nicht, aber mehr als sein Essen braucht es seine Mutter. Die Seele braucht vor allem Verbindung mit Gott: das Gebet führt zu dieser Verbindung, und Bedürftigkeit ist jeweils der Anlass zu diesem Gebet. So beginnt eine Verbindung, ein Gespräch mit Gott, eine Übereinkunft mit ihm, was der einzige Zweck des Gebetes, ja der Existenz selbst in ihren unendlichen Phasen. Wir müssen bitten, um zu erhalten; aber Gott will unser Gebet nicht, damit er unser Bitten um alltägliche Dinge erfüllen kann, Er könnte uns alles auch ohne dies geben. Gott hält seine Gaben zurück und lässt den Menschen darum bitten, um sein Kind zu sich zurückzuführen“ (G.MacDonald).