Blog von Schwester Christiana
Zur Zeit beschätige ich mich mit Psalm 110, der beginnt: „So spricht der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten und ich lege deine Feinde als Schemel unter deine Füße. Das Zepter deiner Macht streckt der Herr aus vom Zion her: Herrsche inmitten deiner Feinde!“
Die Kirchenväter sehen hier ein Wort des Vaters an Christus und erklären, dass die Gegenwart, d.h. die Zeit zwischen Himmelfahrt und Wiederkunft, gekennzeichnet ist durch das Sitzen Christi sitzt zur Rechten des Vaters und den Sieg über alle, die ihm feindlich gesinnt sind. Während das Erste für uns unsichtbar ist, nimmt Augustinus das zweite deutlich wahr: „Du siehst Christus nicht zur Rechten des Vaters sitzen, aber du kannst sehen, wie seine Feinde ihm als Schemel unter die Füße gelegt werden. Wenn dies in aller Öffentlichkeit erfüllt wird, dann glaube auch an das andere, was im Verborgenen ist... Er sitzt also zur Rechten Gottes, bis seine Feinde ihm unter die Füße gelegt werden. Das geschieht bestimmt! Wenn es langsam vor sich geht, so wird es doch unaufhörlich vollzogen.“
Diese Sichtweise ist heute nur schwer nachzuvollziehen, weil wir eher den Niedergang als ein Aufblühen des Christentums wahrnehmen. Aber es bleibt zu fragen, wessen Sichtweise – unsere oder die des heiligen Augustinus – der Wahrheit entspricht.
Die unter die Füße Christi gelegten Feinde sind nicht irgendwelche bösen Menschen, sondern wir alle. Augustinus erklärt: „Du warst ein Feind, du wirst unter seinen Füßen sein, entweder als ein angenommenes Kind oder als besiegter Feind. Sieh also zu, welchen Platz du unter den Füßen des Herrn deines Gottes haben willst.“ Es steht also in unserer Freiheit, ob wir uns selbst Christus unterwerfen und d.h. zu seinen Jüngern werden oder ob er uns irgendwann zwingen wird, seine Herrschaft anzuerkennen.
Die Überzeugung, dass die Feinde in den Psalmen potentiell wir alle sind, insofern wir der Herrschaft Gottes Widerstand leisten ist Gemeingut der Väterzeit. Origenes erklärt: „Man darf nicht meinen, Gott lege auf die Weise die Feinde Christi als seinen Fußschemel hin, wie die Feinde unter die Füße irdischer Könige gelegt werden, die ihre Feinde ausrotten. Treten diese nicht ohne Barmherzigkeit ihre Feinde nieder? Gott aber legt die Feinde Christi nicht zu ihrem Verderben als seinen Fußschemel hin, sondern zu ihrem Heil“. Denn es ist keine Schande, sondern im Gegenteil ein Vorrecht, Schemel unter den Füßen Gottes bzw. Christi zu sein, denn das wird ja auch von Jerusalem (vgl. Ps 132,7) und sogar von der ganzen Erde (vgl. z.B. Jes 66,1; Mt 5,35) ausgesagt. Ja, für die Endzeit wird verheißen, dass zunächst der Vater Christus alles unter die Füße legen wird, bis sich schließlich der Sohn selbst dem Vater unterwirft (vgl. 1 Kor 15,20-28), wobei diese Herrschaft die Fülle des Heils bedeuten wird.
Thomas schreibt, dass kein Mensch, die Fülle der Freude fassen kann, die von Gott ausgeht, unser Herz ist dafür zu klein Aber es ist uns verheißen, dass wir in sie eintreten werden, d.h. sie wird uns ganz und gar umfangen: „Geh ein in die Freude deines Herrn“ (Mt 25,21).
Das ist ein Gedanke, der sowohl Allerheiligen wie Allerseelen prägen kann.
Mich beunruhigt, dass ich die Freude am Lesen verliere. Immer häufiger lese ich Bücher nicht zu Ende, das habe ich früher selten getan. Aber ich will meine Zeit nicht mit Gerede vertun. Leider kommen mir auch die meisten theologischen Bücher wie Gerede vor. leere Worte, inhaltslos, weil nicht aus einer wirklichen Gottesliebe heraus geschrieben.
Im Psalm beten wir: „Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn.“
Wenn ich den Bericht von Caritas International über schrecklich misshandelte und missbrauchte Kinder im Südsudan lese, überhaupt wenn ich höre, was wir Menschen einander überall auf der Welt antun, möchte ich schreien und rufen: „Komm endlich, Herr, und strafe uns in deinem Zorn. So kann und darf es nicht weitergehen, warum lässt du das alles zu?“
„Herrlichkeit der Theologie, dieses verzehrenden Feuers zwischen dem Nacht-Abgrund der Anbetung und dem Nacht-Abgrund des Gehorsams“ (H.U.v. Baltasar).
Warum nur lernt man so wenig aus seinen Erfahrungen? Immer wieder habe ich erlebt, dass Dinge, die ich für mich oder andere als etwas, was auf keinen Fall geschehen darf, als ein Unglück, das zutiefst traurig macht, eingeschätzt habe, sich im Nachhinein nicht nur als weniger schlimm, sondern oft sogar als Durchbruch zu etwas Gutem herausgestellt hat. Und doch fällt es mir immer noch schwer, einfach zu vertrauen, immer wieder denke ich zunächst: Oh nein, das darf nicht sein.