Blog von Schwester Christiana
„Alles menschliche Geschehen vollzieht sich im Vorübergang. Darin liegt seine Kostbarkeit, denn es kann nicht zurückgebracht werden. Was vorbei ist, ist für immer vorbei. Ein anderes kann folgen und folgt ja auch immer wieder; es selbst kommt nicht zurück... Immer begrüßt etwas in uns das Kommende, denn es war noch nicht da; immerfort nimmt ein Schmerz Abschied, denn das Gewesene kommt nicht wieder. So ist die Schönheit des Lebens zugleich seine Trauer“ (R. Guardini). Diese Sätze las ich zufällig gestern, sie passen zwar nicht unbedingt zu Weihnachten, wohl aber ans Jahresende und zu meinem vorigen Blogartikel. In Mariendonk war es ein gutes Jahr, aber auch ein Jahr, das sehr schnell verging. Was wird bleiben?
Es gibt Menschen, die sich entscheiden und dann nur noch die gewählte Sache im Blick haben und voll Freude ihren Weg gehen. Andere sehen bleibend und mit einer gewissen Trauer die Dinge, die sie mit ihrer Entscheidung lassen, worauf sie verzichten mussten. Beides ist gleich gut, wenn es richtig gelebt wird, allerdings sind die ersteren oft glücklicher.
Als Studentin liebte ich die Werke von Albert Camus. Besonders ein Satz war mir wichtig: „Elend und Grösse dieser Welt: sie bietet keine Wahrheiten, sondern Liebesmöglichkeiten. Es herrscht das Absurde, und die Liebe errettet davor.“ Vielleicht hat mich dieser Satz sogar für Gott geöffnet. Auch heute noch würde ich ihn unterschreiben, allerdings theologisch tiefer verstehen. Es herrscht das Böse, das zugleich immer völlig sinnlos, ja absurd ist. Sünde ist gegen die Vernunft, sie ist „verrückt“, sie ist eine bei klarem Verstand begangene Vernunftwidrigkeit, in der ich gegen die eigene Einsicht, was zu tun ist, verstoße. Deshalb kann man auch nie aus ganzem Herzen sündigen, in der Sünde nie völlig mit sich eins sein. Leider sind wir alle Sünder und erleben darum ständig die Macht des Absurden. Aber die Liebe, die wir an Weihnachten feiern, errettet davor. Und ich würde hinzufügen: Ja, die Welt bietet keine Wahrheiten, und wenn sie sie doch bietet, sind es Scheinwahrheiten, aber Gott schenkt uns mit der Liebe auch den Zugang zur Wahrheit.
Advent - Zeit des Erwartung 4
Was tut Gott eigentlich den ganzen Tag?
Er wartet!
Worauf?
Darauf, dass wir Menschen endlich unser Verhalten ändern.
Spontan möchte ich sagen: Darauf kannst du lange warten, Gott! Aber diese Antwort zeigt nur, dass ich unendlich viel weniger Geduld habe als Gott, weniger Geduld mit mir, weniger Geduld mit den anderen, weniger Geduld mit der Welt.
In der Benediktusregel steht, dass Gott darauf wartet, dass wir auf seine Mahnungen mit unserem Tun antworten“ (Benediktusregel Prolog 35), dass er auf unsere Bekehrung wartet (Benediktusregel 7,30).
Angesichts all des Schrecklichen in der Welt haben wir den Eindruck, Gott warte zu lange und solle endlich handeln. Wir stellen wie die Menschen, an die der 2. Petrusbrief gerichtet ist, die Frage: Wo bleibt seine verheißene Ankunft? Die Welt scheint uns seit dem Kommen Christi unverändert zu sein und wir möchten, dass Gott endlich eingreift und sie in Ordnung bringt. Warum tut er das nicht? Die Antwort ist, dass Gott geduldig ist, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern alle zur Umkehr gelangen. Dass uns das nicht überzeugt, liegt - so fürchte ich - daran, dass wir an den anderen verzweifeln und ihre Umkehr für unmöglich („Putin wird sich nie ändern“) und zugleich die eigene Umkehr für nicht so dringend halten („ich bin ja kein schlechter Mensch“). Vielleicht sieht Gott beides anders.
Advent - Zeit der Erwartung 3
Doch es gibt auch Menschen, die bereit sind zu warten. Von Abraham wird im Hebräerbrief gesagt, dass er die Stadt mit den festen Grundmauern erwartete und aus dieser Erwartung die Kraft bekam, nicht einfach umzukehren, sondern sich im Gehorsam führen zu lassen. Die sogenannten Armen in Israel warteten auf den Trost Israels (Lk 2,25); zu ihnen gehörte Johannes der Täufer, der bei Jesus anfragen ließ: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?“ (Mt 11,2-5).
Die Frage: „Bist du es?“ ist für uns, die wir an Christus glauben, eigentlich beantwortet, dennoch leben auch wir in einer Zeit des Wartens, wir sind aufgefordert, uns wie Menschen zu verhalten, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten (vgl. Lk 12,35-40). Das ist in einer säkularisierten Welt schwer durchzuhalten und oft kommt man sich als Phantast vor, wenn man dabei bleibt: „Wir warten auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus“ (Tit 2,13).
Advent - Zeit der Erwartung 2
Das Alte Testament sieht die Sünde immer wieder im Nicht-Warten-Können. Adam und Eva hätten von Gott alles geschenkt erhalten, aber sie sollten warten, bis Gott es ihnen geben würde. Das Misstrauen, vielleicht doch nichts zu erhalten, das Misstrauen, dass Gott ihnen etwas vorenthielt, führte zum Sündenfall.
Diese Dynamik finden wir immer wieder in der Bibel: Das Volk in der Wüste vertraute nicht, dass Gott es ernähren wurde, sondern es murrte, indem es die Nichterfüllung schon voraus nahm und sich gegen sie auflehnte. König Saul hatte vom Propheten Samuel den klaren Auftrag, mit der Darbringung des Opfers zu warten, bis Samuel käme. Aber die Lage wurde brenzlig, die Feinde rückten heran, da schien es Saul sicherer, nicht zu warten, sondern das Opfer zu bringen, obwohl das gegen den ausdrücklichen Befehl Gottes war. Auch in unserem eigenen Leben kann es dieses Nicht-Warten-Können geben. Es ist schwer, aufmerksam zu hören, was Gott von mir will, viel lieber möchte ich die Dinge selbst in die Hand nehmen. Sehr oft merke ich zu spät, dass ich damit an dem eigentlich Guten, und damit an meinem Glück vorbeigerannt bin. Ein Aphorismus von Stanislaus Lec drückt das so aus: „Jetzt bist du mit dem Kopf durch die Wand, was wirst du in der Nachbarzelle tun?“