Blog von Schwester Christiana
Im Moment gewinnt eine Idee zunehmend an Bedeutung, die sich katholisch nennt, aber meines Erachtens am Wesen der Botschaft Jesu vorbeigeht, der sogenannte „Integralismus“. Darüber lesen wir bei dem Zisterzienser Edmund Waldstein:
„Der katholische Integralismus ist eine Denktradition, die die liberale Trennung der Politik von der Sorge um das Ziel des menschlichen Lebens ablehnt und festhält, dass politische Herrschaft den Menschen auf sein Endziel hinzuordnen hat. Da der Mensch jedoch sowohl ein zeitliches als auch ein ewiges Ziel hat, hält der Integralismus fest, dass es zwei Gewalten gibt, die ihn beherrschen: eine zeitliche Gewalt und eine geistliche Gewalt. Und da das zeitliche Ziel des Menschen seinem ewigen Ziel untergeordnet ist, muss die zeitliche Gewalt der geistlichen Gewalt untergeordnet sein.“
Das klingt fromm, trotzdem gehen diese Theorie am Wesentlichen des Christentums vorbei, an der Ohnmacht des Kreuzes auf der einen Seite und an der Allmacht Gottes auf der anderen Seite, der unsere Hilfe nicht braucht, um seinen Willen durchzusetzen. Und sie verkennt die Dynamik menschlichen Machtwillens, der immer über kurz oder lang zum Götzendienst wird.
Gäste, die zum ersten Mal mit uns Weihnachten feiern, sind oft irritiert und enttäuscht, weil sie vermissen, was für sie Weihnachten ausmacht: Das Kind in der Krippe, der Stall von Bethlehem, die schönen alten Lieder. All das fehlt bei uns nicht ganz - natürlich lesen wir die Weihnachtsgeschichte - aber der Akzent liegt in der Liturgie auf dem, was man am besten mit dem Begriff „Menschwerdung“ umschreiben kann. Der ewige, unendliche, transzendente Gott ist als Mensch in unsere Welt gekommen, um die Schranke zwischen ihm und uns aufzuheben und uns zu ermöglichen, an seiner Gottheit teilzuhaben.
In diesem Jahr haben wir das 1700 Jahre Konzil von Nizäa gefeiert. Bei diesem Konzil wurde als Glaube der Kirche formuliert, dass Jesus Christus „eines Wesens mit dem Vater“ ist. Das bedeutet, dass in der Krippe kein Halbgott lag, kein untergeordneter Gott, sondern wirklich der Schöpfer von Himmel und Erde. Selbst das wäre nur ein schönes Wunder, aber letztlich ohne tiefere Bedeutung für uns, wenn dieser Jesus nicht zugleich auch ganz Mensch war. Weil er beides ist, kann er uns in seiner Person mit Gott verbinden.
Verstehe ich das? Nicht aus mir selbst, aber im Glauben.
„Es geschah in jenen Tagen, dass vom Kaiser Augustus die Verordnung erging, dass auf dem ganzen Erdkreis eine Zählung vorgenommen werden sollte. Es war dies die erste Zählung, unter dem Statthalter Syriens, Quirinius“ (Lk 2,1f).
„Wer genauer hinschaut, der findet hier ein Geheimnis angedeutet: Auch Christus mußte bei der Zählung des ganzen Erdkreises mit eingeschrieben werden, um, mit allen Menschen zusammen aufgeschrieben, alle zu heiligen und, zusammen mit dem Erdkreis bei der Zählung erfasst, denselben in seine Gemeinschaft aufzunehmen. Nach dieser Zählung wollte er sie aus mit sich zusammen in das Buch der Lebenden (vgl. Offb 20,15) eintragen, damit alle, die an ihn geglaubt haben, später mit seinen Heiligen in den Himmeln verzeichnet sind“ (vgl. Lk 10,20) (Origenes, 11. Homilie zum Lukasevangelium 6).
Oft stellen wir uns Maria viel zu passiv vor. Sie sagt: „Mir geschehe nach deinem Wort“, aber das bedeutet keineswegs: „Ich wart' mal ab, was geschieht“, sondern Maria ergreift die Verkündigung mit ihrem ganzen Wesen, mit Leib und Seele. Sie hört in der Botschaft des Engels nicht nur das, was sich auf sie selbst bezieht, sondern auch dass Elisabeth im sechsten Monat schwanger ist, also vermutlich Unterstützung braucht. Und Maria macht sich sofort auf den Weg.
Gehorsam bedeutet für mich, nicht nur die großen Botschaften, die unmittelbaren Aufträge und Appelle zu hören, sondern genauso das, was nebenher gesagt wird. Die ganze Wirklichkeit als Botschaft Gottes aufnehmen und dann antworten.
Gestern ein Konzert von Jugendlichen, die bei „Jugend musiziert“ mitmachen und bei uns schon einmal üben, öffentlich zu spielen. Meinen eigenen Eltern war Musik nicht so wichtig und daher habe ich weder ein Instrument gelernt noch eine tiefere musikalische Bildung erhalten. Das bedaure ich zutiefst, weil ich überzeugt bin, dass Musik und vor allem selbst zu musizieren, Welten eröffnet, zu denen ich nur einen oberflächlichen Zugang habe. Aber letztlich ist das nur ein Spezialfall der allgemeinen Gegebenheit, dass uns allen schon von Geburt an viele Türen für immer verschlossen sind. Danken wir für die offenen.
„Theologie ist mit keiner anthropologischen Wissenschaft, sei es Psychologie, Soziologie oder Religionswissenschaft gleichzusetzen, sie empfängt deshalb von den sich historisch verändernden Formen solcher Wissenschaften keine normativen Auflagen... Die Norm für christliche Theologie ist von jeher die Offenbarung Jesu Christ vom Wesen und von der Liebe Gottes des Vaters, welche Offenbarung der Heilige Geist in der Vielfalt kirchlichen Lebens auslegt“ (H.U.v.Balthasar).