Blog von Schwester Christiana
Ich bin ständig damit konfrontiert, dass die Inhalte des Glaubens als „meine Meinung“ angesehen werden, auch innerhalb der Kirche. Doch bin ich wirklich „der Meinung“, dass Jesus aus der Jungfrau Maria geboren wurde und dass er von den Toten auferstand? Nein, wenn ich selbst darüber nachdenke, wäre ich nie auf solche Gedanken gekommen. Es ist die Lehre der Kirche, der ich mich im Glauben unterstelle und die völlig konträr ist zu dem, was ich selber meinen würde. Selbst würde ich ganz klar davon ausgehen, dass eine Frau ohne Mann kein Kind empfangen kann und dass wer tot ist, auch tot bleibt. Aber wen interessiert „meine Meinung“ angesichts der Offenbarung Gottes? Es ist mir rätselhaft, wie viele Menschen - auch Theologen - meinen, Gott müsse sich nach unseren Plausibilitäten richten. Ich halte es eher mit Augustinus: „Si comprehendis, non est Deus“ - „Wenn du es verstanden hast, ist es nicht Gott.“ Gott ist nicht widervernünftig, aber er ist größer als unser Denken.
„Nicht so wollen wir fortschreiten, dass wir aus Neuen Alte werden, sondern eben das Neusein soll wachsen“ (Augustinus, Zu Ps 131).
Es tut mir geradezu körperlich weh, wenn Menschen an unserem Gottesdienst teilnehmen, die sich sichtbar langweilen und deutlich zeigen, dass sie wünschen, er wäre bald zu Ende. Deshalb lade ich zwar zum Gottesdienst ein, nötige aber nicht dazu. Natürlich kann es geschehen, dass die Begegnung mit Gottes Wort einen Menschen plötzlich fast gegen seinen Willen überwältigt, aber andererseits gebietet es die Ehrfurcht vor Gott und die Heiligung seines Namens, sein Wort (und sein Sakrament) nicht zu verschleudern.
Wir haben vor einiger Zeit in einem Film des WDR „Die verborgene Welt der Klöster“ mitgewirkt, auf den wir zahlreiche Rückmeldungen erhalten haben. Die Rückmeldungen, die ich persönlich erhalten habe, waren voll Dankbarkeit, dass ich Sätze gesagt habe wie „Zweifel an Gott habe ich immer noch... Manchmal frage ich mich: Redest du dir das nicht alles ein?... Glaube bleibt eben immer Glaube.“ Ich frage mich, was in der Katechese falsch läuft, wenn Menschen meinen, ihre Fragen und Zweifel verdrängen zu müssen, um gute Christen zu sein. Kein Wunder, dass viele den Glauben über Bord werfen.
Zur Zeit lese ich die Autobiographie der Performancekünstlerin Marina Abramovic. Spontan konnte ich wenig mit ihr und ihrer Kunst anfangen, inzwischen fasziniert mich dieses extreme Leben und ihrer Kunstwerke gehen mir sehr nach. Das ändert nichts daran, dass sie mir fremd bleibt, ich glaube nicht, dass wir uns viel zu sagen hätten, vermutlich würde ich bei einer Begegnung mit ihr einfach zuhören. Wenn ich darüber nachdenke, was mir so fremd ist, denke ich, dass es an ihrem sehr weiten Begriff von Spiritualität liegt, der alles ermöglicht und zu nichts verpflichtet. Sie ist ganz frei, auf eine Art und Weise, die ich als Christin nicht nachsprechen kann, meine Freiheit besteht in der Gebundenheit an Christus.
Viele Menschen fühlen sich sehr schnell von anderen manipuliert und in die Ecke gedrängt. Ich selbst habe selten den Eindruck, von anderen in dieser Weise bedroht zu werden, vielleicht weil ich Menschen, die mit aller Macht ihren Willen durchsetzen wollen, nicht als stark, sondern als schwach wahrnehme. Sie können es nicht ertragen, nach Gesetzen zu leben, die sie nicht selbst bestimmt haben und benehmen sich deshalb wie Kleinkinder in der Trotzphase.
Es ist ein Wert, die eigenen Prämissen klar formulieren zu können, denn nur so ist es möglich, in die Welt anderer mit anderen Prämissen verstehend einzugehen. Solange ich mein Denken für das einzig mögliche halte, muss ich es verteidigen und versuchen, andere in meine Welt hineinzuzwingen. Darauf möglichst zu verzichten, ist nicht Relativismus, sondern realistische Wahrnehmung von Verschiedenheit. An meinem Glauben („Ich weiß, wem ich geglaubt habe“ 2Tim 1,12) ändert diese meine Haltung nichts.