Blog von Schwester Christiana
Im heutigen Evangelium (Mt 23,1-10) geht es nicht um Formen der Anrede, sondern um die Verhinderung von geistlichem Mißbrauch. Er entsteht, wenn sich jemand einem anderen gegenüber an die Stelle Gottes setzt. Wir alle stehen als Brüder und Schwestern gemeinsam vor dem dreifaltigen Gott und sind nur ihm verantwortlich. Wo es doch Unterschiede zwischen uns gibt, liegen sie in der größeren Christusähnlichkeit, nicht in der Macht über andere.
Wir neigen dazu, vor allem wenn wir in eine Sache Zeit, Kraft und Geld investiert haben, unsere Anstrengungen zu intensivieren, wenn es nicht klappt. Nach dem Motto: Mehr vom Falschen muss doch irgendwann zu etwas Gutem werden. Tut es aber nicht. Diesen Irrtum gibt es bei der Unternehmensführung, in der Kindererziehung, in der Kirche, in der Politik. Leider auch bei der Ausübung von Gewalt. Immer mehr Tote werden nicht zu Frieden führen, das weiß im Grunde jeder. Erst wenn die Welt vor dem geschlachteten Lamm niederfällt, ist ein neuer Weg gefunden. Herr, erbarme dich und zeige uns Wege, die wir gehen können.
Worauf kommt es in der Kirche an? Wenn man dem Seher in der Offenbarung glaubt, nicht auf Fortschritt und Erneuerung, sondern darauf „am Wort festzuhalten“ und „nicht zu verleugnen“, „das Gebot zu bewahren“ und „festzuhalten, was man hat“ (vgl. Off 3,7-13). Es ist alles da, wir müssen es nur in seiner Großartigkeit und Schönheit wahrnehmen.
Erneuern müssen wir uns selbst und unseren Glauben
Heute feiern wir das 65. Professjubiläum einer Mitschwester. Sie ist voll Freude diesen Tag erleben zu dürfen, nicht als Beweis ihres eigenen Durchhaltevermögens, sondern als Zeichen der Treue Gottes.
Zwei Gedanken, die ich in dem Buch „Die Kirche lieben“ von Raniero Cantalamessa fand. Zunächst ein Wort von Erasmus von Rotterdam, der auf die Frage, warum er in der Kirche bleibt, geantwortet haben soll: „Ich ertrage diese Kirche in der Erwartung, dass sie sich bessert, denn auch sie ist gezwungen, mich zu ertragen in der Erwartung, dass ich mich bessere.“
Und dann eine geistliche Auslegung von Joh 19,26f: „Als Jesus die Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zur Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.“ Wörtlich heißt es dort, dass Johannes Maria „in sein Eigenes“ nahm. Wenn wir Maria als Bild der Kirche verstehen, dann liegt in diesen Versen eine Einladung an uns, die Kirche „zu uns“ zu nehmen, sie „zu unserem Eigenen“ zu zählen, zu dem, was untrennbar zu uns gehört.