Blog von Schwester Christiana
Gelesen: K. Brinkbäumer, Der Traum vom Leben. Eine afrikanische Odyssee (Frankfurt 2006).
Ein Buch über Afrika und über die Menschen, die von dort fliehen müssen, weil sie keine Perspektive haben; ein Buch, bei dem man nur weinen kann. Das Buch ist einige Jahre alt, vermutlich ist inzwischen alles noch viel schlimmer, aber wir machen die Grenzen dicht und sagen: Wir haben genug eigene Probleme. Ja, wir haben eigene Probleme, aber verglichen mit dem, was andere Menschen ertragen müssen, sind sie lächerlich klein.
Am Ende meines Lebens werde ich, wenn ich mir nichts vormache, wissen: Es war alles umsonst. Umsonst im Sinn von vergeblich, denn nichts von dem, was ich getan habe, wird bleiben, schon in wenigen Jahren, spätestens in einigen Jahrzehnten, wird mich niemand mehr kennen. Und zugleich: Es war alles umsonst, es war alles gratis, reines Geschenk der Liebe.
In gewisser Weise führt dieser Gedanke den Eintrag von vorgestern weiter und ist das eigentlich Wichtige.
„An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7,20). Das gilt für alle, für Trump und Putin, für jeden Bischof oder Papst, auch für mich. Allerdings gibt es vorzeitige Früchte, die manchmal täuschen. Die eigentliche Fruchtbarkeit eines Lebens sehen wir oft erst viele Jahre später (Charles de Foucault), letztlich sieht sie nur Gott. Trotzdem immer wieder - gerade auch in einem Frauenkloster - die Frage nach der Fruchtbarkeit des eigenen Lebens. Ohne Kinder, ohne berufliche Erfüllung, ohne Priestertum... was wird bleiben? Die Gefahr ist groß zu versuchen, „Pseudofrüchte“ vorzuweisen.
Es gibt nur den einen Christus, aber er wird von jedem Menschen anders geliebt. Die letzten drei Päpste, Johannes Paul II, Benedikt und Franziskus - wie verschieden waren diese Männer! Aber jeder war ein Geschenk für die Kirche. Dreimal Johannes Paul II, dreimal Benedikt oder dreimal Franziskus wäre weniger gewesen. Auch Papst Leo wird uns reicher machen.
Ein Gedanke aus der heutigen Predigt: Der barmherzige Samariter sagt zu dem Wirt, bei dem er den am Weg liegenden Verwundeten unterbringt: „Wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme“ (Lk 10,35).
Es ist noch keine echte Nächstenliebe, hier und dort etwas zu spenden, hier und dort freundlich zu sein, hier und dort für einen anderen zu beten. Entscheidend ist das Wiederkommen, das zeigt, dass ich den anderen wirklich in mein Herz aufgenommen habe, dass er in seiner Not nicht vergessen ist und dass ich sogar bereit bin, mehr zu tun, wenn er weiter in Not ist. Wie viele Menschen erleben bei einer schweren Erkrankung, dass zunächst alle betroffen sind und helfen wollen, aber wenn die Krankheit chronisch wird, fehlt oft das Wiederkommen. Dasselbe bei Naturkatastrophen: Große Hilfsbereitschaft in den ersten drei Tagen, aber dann schnell Vergessen.
Gelesen: Clemens Sedmak, Wenn das Unvorstellbare geschieht. Durchbrochenes Denken und theologische Vorstellungskraft.
Es geht in diesem Buch darum, wie man Brüche im eigenen Leben mit der Gottesfrage verbinden kann. Kein Lebenshilfebuch, eher eine philosophische Reflexion.
Beim Lesen zunächst der Gedanke des eigenen Verschont-Sein, in meinem Leben gab es keine so furchtbaren Brüche, wie der Autor sie beschreibt. Das gibt mir Kraft, die ich versuche für andere einzusetzen. Aber stimmt das, gibt es wirklich keine Brüche in meinem Leben? In gewisser Weise war der Klostereintritt ein solcher Bruch, die Berufung war für mich kein seit meiner Kindheit langsam entwickelter Wunsch, sondern traf mich völlig unvorbereitet und zerbrach all meine Pläne, leider auch die meisten Beziehungen. Im Unterschied zum Suizid eines Angehörigen, zu plötzlichen Unfällen von lieben Menschen oder zu finalen Krebserkrankungen blieb mir die Freiheit Ja oder Nein zu sagen (stimmt das wirklich? letztlich wusste ich, dass es nur den Gehorsam gab..), aber trotzdem war der Klostereintritt der Bruch mit meiner Familie und meinem ganzen Umfeld, ein Bruch der nie geheilt ist. Es gibt bleibend Schuldgefühle und Verletzungen.