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Blog von Schwester Christiana

28. Februar 2025

Es gibt eine Langeweile, die ich manchmal spüre und die vielleicht für ältere Menschen typisch ist. Sie besteht nicht darin, dass man sich fragt, was man tun könnte, im Gegenteil, es gibt genug zu tun und dieses Tun macht durchaus auch Freude, aber bei allem läuft das Gefühl mit, es schon hundertmal erlebt zu haben. Das Einzige, was ich zu meinem eigenen Erstaunen nie langweilig finde, ist die Messe. Erstaunen deshalb, weil sie ja tatsächlich äußerlich immer gleich abläuft. Doch in der Begegnung mit Christus und im Hineingenommen-Werden in seinen Weg zum Vater ist sie täglich neu. Ich selbst bin nicht immer innerlich anwesend, oft leider sogar sehr abwesend, aber das ist etwas anderes, das Geschehen selbst ist immer neu.

26. Februar 2025

Wir schauen besorgt nach Rom, wo Papst Franziskus mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus liegt. Jesus sagt im Evangelium des Festes „Kathedra Petri“, das wir am Samstag gefeiert haben: „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). An diese Trostbotschaft halte ich mich bei allem Bösen, was es im Inneren der Kirche gibt und was von außen an sie herandrängt: Sie wird nicht untergehen. Allerdings sagt dieses Evangelium auch, dass die Pforten der Unterwelt die Überwältigung immer neu versuchen werden. Kirche siedelt nahe an den Pforten der Unterwelt, vielleicht näher als all die, die das Böse zu ignorieren suchen. Wenn es die Kirche nicht gäbe, wäre die Welt sehr dunkel!

16. Februar 2025

- Ich habe einen Roman von Isaak B. Singer gelesen, der das jüdische Leben in Polen vor dem Einmarsch der Deutschen beschreibt.  Sehr    gut, dieses Buch kann ich dir nur empfehlen.
- Möchte ich nicht lesen, ich kann Juden nicht leiden.
- Wie bitte, was soll denn das heißen?
- Ich finde Juden geldgierig und arrogant, das hat schon meine Mutter gesagt.
- Aber du kennst doch gar keine Juden.
- Das nicht, aber es wird schon stimmen.
Nach solchen Gesprächen bin ich fassungslos, weil ich nicht wusste, wie verbreitet ein völlig unreflektierter Antisemitismus in Deutschland ist - auch unter Priestern und Ordensleuten, auch unter Nicht-AFD-Wählern. Und wie völlig unbeeindruckbar von Argumenten.
Solche Gespräche tun mir weh, denn von meinem Glauben her ist das jüdische Volk so etwas wie der Adel der Menschheit, das auserwählte Volk, dem Jesus, seine Mutter und die Apostel entstammten. Wir Christen aus den Heiden sind nur Dazugekommene. Ich jedenfalls wäre stolz, wenn ich jüdische Vorfahren hätte.

14. Februar 2025

2006 habe ich nach der Begegnung mit einem Fundraiser, der uns helfen wollte, an Spenden zu kommen, dem Vorstand unseres Freundeskreises den folgenden Brief geschrieben, den ich hier leicht überarbeitet abdrucke:
„Ich habe über die Frage nachgedacht, warum wir Schwestern es überhaupt wagen, andere aufzufordern, uns zu unterstützen. Diese Frage berührt das Selbstverständnis unserer Abtei und scheint mir deshalb sehr wichtig. Wird sie falsch beantwortet, dann entsteht eine Situation, in der unser Selbstbild und das Motiv, aus dem heraus wir unterstützt werden, sich nicht decken. Eine solche Situation muss für das Sammeln von Spenden nicht sofort und unbedingt nachteilig sein, unsere Gemeinschaft und auch mich persönlich bringt sie jedoch in den Gewissenskonflikt zwischen der Treue zu unserer Berufung und der Sorge für den wirtschaftlichen Erhalt von Mariendonk.
Warum sollen Menschen uns unterstützen? Meiner Meinung nach nicht oder zumindest nicht in erster Linie, weil die Äbtissin sympathisch ist oder weil die Schwestern in ihrer Gästearbeit, ihrer wissenschaftlichen oder künstlerischen Arbeit viel leisten. All das ist schön und gut und für Menschen auch anziehend, es könnte sich aber auch ändern. Ich weiß nicht, ob wir in Zukunft in der Lage sein werden, viel nach außen hin zu leisten, aber selbst wenn wir das nicht mehr könnten, blieben wir ein benediktinisches Kloster.
Aus unserer Sicht liegt das Wesen unserer Gemeinschaft und damit auch der eigentliche Grund, den Menschen, die uns unterstützen, bejahen müßten, in dem, was Benedikt „Gottsuche“ nennt, d.h. in dem Bemühen in einer säkularisierten Welt einen Platz offenzuhalten für den Einbruch dessen, der unsere Welt transzendiert und aus ihrer Enge herausreißt. Auch wir Schwestern können Gott nicht beweisen, aber wir wollen mit unserem ganzen Leben Zeugnis davon geben, dass er lebt und dass wir ihm begegnet sind: in der Eucharistie, im Wort der Bibel und - paradoxerweise - auch in der Erfahrung seiner Abwesenheit.
Sie werden vielleicht sagen, das alles ließe sich nicht „verkaufen“, aber stimmt das? Im Nachdenken über die (vermuteten) Motive der Menschen, denen Mariendonk wichtig ist, denke ich, dass es viele gibt, die etwas Konkretes von uns erwarten: Gespräche, theologische Weiterbildung, eine schön gestaltete Liturgie, Kunsthandwerk, das geistlich durchdacht ist.
Es gibt aber auch Menschen, die nie in unseren Gottesdienst oder zu einer unserer Veranstaltungen kommen, die kein Gespräch mit uns suchen und auch nichts bei uns kaufen wollen und die uns trotzdem unterstützen, weil es ihnen wichtig ist, dass es uns gibt. Dahinter steht vielfach bei allen eigenen Zweifeln am christlichen Glauben die Überzeugung, dass es gut für unsere Welt ist, wenn irgendwo noch Menschen beten und versuchen, in der Stille zu hören.
Warum ich das alles schreibe? Weil ich nicht möchte, dass wir Mariendonk den Menschen - seien es Privatpersonen oder Firmen - als etwas anderes vorstellen als es ist: ein Haus, in dem Gott gesucht wird und das in der heutigen Zeit bei dieser Aufgabe die Hilfe vieler braucht. Wenn das „nicht zieht“, ist es mir - und hier spreche ich sicher für alle meine Mitschwestern - lieber, noch sehr viel ärmer zu leben, als dass wir vorgeben etwas anderes zu sein als wir sind.“
Ich finde das auch heute noch richtig.

08. Februar 2025

Als Dreizehnjährige schwärmte ich für meinen Klassenlehrer; außerdem hatte ich wie alle pubertierenden Mädchen damals ein Poesiealbum, in das - wahrscheinlich zu ihrem Leidwesen - auch die Lehrer etwas hineinschreiben mussten. Der von mir angeschwärmte Lehrer schrieb Sprüche 16,22: „Wer Verstand hat, dem ist er eine Quelle des Lebens, doch die Strafe der Toren ist die Torheit.“ Kindlich eingebildet wie ich war, las ich nur den ersten Teil und hielt den Eintrag für ein Kompliment, bis ich in den Poesiealben meiner Mitschwestern feststellte, dass Dr. Lessing denselben Satz bei jeder von uns eintrug. 
Als ich den Spruch heute in der Lesung hörte, musste ich in Gedanken an meinen kindlichen Hochmut lächeln. Zugleich frage ich mich aber, ob ähnliches nicht oft bei Bibeltexten passiert: Wir identifizieren uns mit Jesus, den Jüngern oder dem Geheilten und sind doch in Wahrheit Herodes oder ein Pharisäer.

06. Februar 2025

"Uneinigkeit ist das Einfachste, eine Lösung zu finden ist das Schwerste." Diesen Satz von Nika Kavac, einer jungen Slowenin, finde ich wichtig, denn er gilt immer und überall: in Familien, in Ehen, in klösterlichen Gemeinschaften, in der Kirche, in der Gesellschaft, zwischen Ländern. Bedrückt nehme ich zur Zeit wahr, dass fast immer der einfachere Weg gewählt wird und frage mich voll Sorge, wo das hinführen wird?