Blog von Schwester Christiana
Melania Trump: „Das Grundrecht einer Frau auf individuelle Freiheit und auf ihr eigenes Leben gibt ihr die Berechtigung, ihre Schwangerschaft abzubrechen, wenn sie dies wünscht.“
Abtreibung ist ein sehr schwieriges Thema und in der ethischen Beurteilung muss vieles berücksichtigt werden. Doch in den meisten Verlautbarungen klingt es, als wäre eine ungewollte Schwangerschaft ein Schicksalsschlag, der jeden aus heiterem Himmel treffen kann. Ich bin Nonne, aber trotzdem weiß ich, dass nicht der Klapperstorch die Kinder bringt und dass man ohne Geschlechtsverkehr nicht schwanger wird... Wenn man von einer Vergewaltigung einmal absieht, ist einer ungewollten Schwangerschaft ein nicht voll verantwortlicher Geschlechtsverkehr vorausgegangen, vor dessen Folgen man sich jetzt drücken will. Darüber zu sprechen ist heute schwierig, bis dahin, dass ich mich fragen muss, ob es nicht schon nahe an geistlichem Missbrauch ist, wenn ich einer schwangeren Frau und ihrem Partner sage, dass Abtreibung eine Sünde ist. Die Öffentlichkeit würde es so sehen, aber als Christen müssen wir einander helfen, anders zu denken und anders zu handeln.
In den nächsten Wochen bin ich viel auf Tagungen innerhalb unseres Ordens. Einerseits freue ich mich, die anderen Äbte und Äbtissinnen wiederzusehen, andererseits seufze ich innerlich etwas. Nicht wegen der Menschen, die ich treffen werde, sondern wegen der Themen. Ich bin jetzt fast 20 Jahre Äbtissin und habe zunehmend den Eindruck, alle Themen schon mehrfach besprochen zu haben. Vielleicht ist das eine Alterserscheinung - sicher ist es das! - aber mir kommt es so vor, als versuche man in unserer Kirche und auch in unserem Orden ständig die Zukunft in der Griff zu bekommen, völlig vergeblich, denn die Zukunft macht, was sie will.
Man verstehe mich richtig: Ich bin nicht gegen Vorsorge, nicht gegen verantwortliche Planung, aber ich selbst sehe im Rückblick und beim Sichten meiner Unterlagen, wie viel Zeit damit in der Vergangenheit verbracht wurde, und bin es oft müde, mich in solche Überlegungen weiter engagiert einzubringen. Manchmal frage ich mich auch, ob wir Christen (wir Ordensleute / wir Benediktiner) ernsthaft damit rechnen, dass der Herr plötzlich wiederkommt. Dann wird er uns sicher nicht nach unseren Fünf- oder Zehnjahresplänen fragen, sondern danach, wie wir gestern und heute ihn und einander geliebt haben.
Der junge Iraner, mit dem ich im Moment viel spreche, ist sehr pessimistisch in Bezug auf die weitere Entwicklung seiner Heimat. Er glaubt nicht, dass die Menschen gegen das Regime aufstehen werden, schon gar nicht glaubt er an die Möglichkeit einer friedlichen Revolution, wie es sie 1989 in unserem Land gab.
Wir Deutsche sollten am heutigen Tag dankbar sein, dass es damals in unserem Land nicht zu Blutvergießen gekommen ist. Nicht alles lief in den folgenden Jahren optimal, aber insgesamt war die Wiedervereinigung dennoch ein Wunder. Warum sind wir Deutsche nur immer so unzufrieden? Manchmal habe ich den Eindruck, wir meinten, uns stehe eigentlich das Paradies zu...
Eine meiner Mitschwestern ist damit konfrontiert, dass ein naher Verwandter in seinem Testament eine völlig anonyme Beerdigung festgelegt hat, obwohl er keineswegs alleinstehend ist, sondern Frau, Kinder, eine Schwester, Nichten und Neffen hat. Anonym heißt in diesem Fall wirklich anonym, weder Ort noch Tag der Beerdigung darf das Bestattungsinstitut bekanntgeben.
Ein Mensch stirbt und verschwindet spurlos von der Bildfläche...
Sicher gibt es für eine solche Regelung Gründe, z.B. dass Menschen, die nichts miteinander zu tun haben wollen, sich auf dem Friedhof nicht treffen müssen. Aber traurig ist es trotzdem. Wir Menschen leben in Raum und Zeit und brauchen für die Trauer um einen Menschen einen Ort und eine Zeit. Aber da beides vor Gott letztlich keine Rolle spielt, haben wir im Kloster einen beliebigen Tag für die Totenmesse festgesetzt, ich denke, das Gebet braucht er wie jeder.
Immer wieder höre ich in Gesprächen von der Erschöpfung so vieler Menschen und erlebe, dass gerade die, die Verantwortung haben, irgendwann nicht mehr können und oft monatelang ausfallen. Ich habe bisher noch nie eine längere Auszeit gehabt und sie auch nicht gebraucht. Ich frage mich, warum das so ist. Sicher nicht, weil ich besonders gesund und stark bin, eher im Gegenteil. Schon als junge Frau konnte ich niemals die Nächte durchmachen, weder auf Partys noch in der Vorbereitung auf Prüfungen, spätestens um 22 Uhr war ich so müde, dass nichts mehr ging. Auch nach der Schule war ich so kaputt, dass ich mich erst mal hinlegte, las, träumte... Ich glaube, diese Veranlagung hilft mir paradoxerweise, Erschöpfung nicht aufzuspeichern. So gibt es für mich in erster Linie den Tag als Einheit, der fit beginnt und müde endet, höchstens noch die Woche mit dem Sonntag als Ruhetag, aber eigentlich keine Zeiten des totalen Einsatzes und Zeiten der völligen Erschöpfung.
Immer wieder beeindrucken mich das Leben und die Schriften Etty Hillesums. Als Jüdin in den besetzten Niederlanden weiß sie sehr klar, was ihr blüht und doch weigert sie sich, auf die Greuel der Deutschen mit Hass zu antworten. „Ich weiß, dass die, die hassen, ihre guten Gründe dafür haben. Aber warum sollten wir immer wieder den bequemeren und einfacheren Weg wählen müssen? Ich habe... so stark erfahren, wie jedes Atom Hass, das man dieser Welt hinzufügt, sie noch unbewohnbarer macht, als sie schon ist. Und deswegen meine ich auch, vielleicht auf kindliche, aber doch auf hartnäckige Weise, dass die Erde nur durch die Liebe wieder ein wenig bewohnbarer werden könnte“ (aus einem Brief geschrieben im Dezember; Etty Hillesum starb 1943 in Auschwitz).