Blog von Äbtissin Christiana Reemts

Mit diesem Wort des großen Theologen Hans Urs von Balthasar möchte ich allen Lesern dieses Blogs ein gesegnetes Weihnachtsfest wünschen:

Heute nehmen wir dich auf in unsere Welt,
aber wir wissen wohl, dass du es bist,
der uns in seinen Himmel aufnimmt.

Und während du dich an unsere Erde gewöhnst,
willst du, dass wir uns an deinen Himmel und seine Gesetze gewöhnen.

Im Himmel aber herrscht nur das Gesetz: Liebe!
 
Im Buch Exodus wird berichtet, dass die Israeliten murrten, weil sie kein Brot hatten und Gott ihnen darauf das Manna schenkt. „Da sagten Mose und Aaron zu allen Israeliten: Heute Abend sollt ihr erfahren, dass der Herr euch aus dem Land Ägypten geführt hat, und morgen werdet ihr die Herrlichkeit des Herrn schauen“ (Ex 16,6f).
Dieser Text wird im Introitus von Heiligabend aufgenommen und damit neu gedeutet. Der Introitus lautet übersetzt: „Heute sollt ihr erkennen, dass der Herr selber kommt, um uns zu erretten, und morgen erscheint seine Herrlichkeit.“
Das bedeutet, dass der neugeborene Christus das wahre Manna Gottes ist (vgl. Joh 6,35) und gleichzeitig die endgültige Antwort des Vaters auf das Murren, d.h. die Auflehnung der Menschheit gegen ihn. Diese Antwort besteht nicht in Rache und Strafe, sondern in der Geburt eines Kindes, dass die Sünde der Welt tragen wird.
 
Gottes Allmacht ist so groß, dass er fremde Freiheit schaffen kann. Unsere Freiheit begrenzt die seine nicht („er oder ich“), sondern wird durch sie überhaupt erst ermöglicht. Demgegenüber haben die Prediger der Autonomie eine sehr schlichtes Weltbild: Entweder bestimmt Gott, was läuft, oder der Mensch. Doch göttliche Macht und Freiheit steht nicht neben, sondern jenseits der unsrigen und umgreift sie. In dieser Welt sind wir tatsächlich in gewisser Weise zur Autonomie verurteilt, aber wenn der Herr uns seinen Heiligen Geist schickt, können wir erkennen, was Gott will und so gnadenhaft Anteil erhalten an der viel größeren Freiheit Gottes.
 
Es ist ein lebenslanger Prozess sich wirklich vom Evangelium Jesu Christi prägen zu lassen und von ihm her die Welt zu beurteilen und nicht umgekehrt von der Welt her zu prüfen, ob das Evangelium noch einen Nutzen für heute hat. Im Buch Exodus ist von einem dreitägigen Weg in die Wüste die Rede: „Wir wollen drei Tagesmärsche weit in die Wüste ziehen und Jahwe, unserem Gott, Schlachtopfer darbringen“ (Ex 3,18). Origenes, ein Theologe des 3. Jhs, fragt sich, was das heißen könnte und erklärt: „Ich verstehe unter diesem Weg den, der gesagt hat: 'Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben'“ (Joh 14,6).
Die erste Antwort lautet also: Wir verlassen diese Welt in Richtung auf Gott, wenn wir Jesus, dem Weg Gottes in Person, nachfolgen. Daraus folgen dann andere Wege, die ebenfalls drei Stufen oder Abschnitte haben. Wir gehen einen Weg von drei Tagen aus Ägypten heraus, wenn wir
  • unseren Geist, unsere Seele und unseren Leib unversehrt bewahren für den Tag Jesu Christi (vgl. 1Thess 5,23).
  • uns nicht auf unsere eigene Vernunft, Natur und Moral verlassen, sondern uns nach den göttlichen Weisungen ausrichten.
  • unsere Worte, Taten und Gedanken reinigen.
                                                                (vgl. Origenes, Homilien zum Buch Exodus 3,3).
Christus ist das Licht der Welt. Allerding ist Licht, gerade, weil es erleuchtet, immer auch Scheidung: Will die Finsternis hell werden oder will sie dunkel bleiben? Zu dieser Entscheidung ruft Johannes auf: „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe... Bereitet den Weg des Herrn!  Macht gerade seine Straßen!“
Ich habe, als ich mich mit Johannes dem Täufer beschäftigte, einmal geschaut, wo in der Bibel das Wort „Vorläufer“ vorkommt. Das Ergebnis war interessant: In der Bibel wird nicht Johannes als Vorläufer bezeichnet, sondern Jesus selbst! Von ihm heißt es im Hebräerbrief, dass er „für uns als Vorläufer hineingegangen ist“ in das innere Heiligtum (vgl. Hebr 6,20), d.h. in den Himmel selbst. Auf unserer Erde gibt es menschliche Vorläufer Jesu und muss es sie geben, aber auf dem letzten entscheidenden Weg zum Vater gibt es nur Nachfolger, dort ist Jesus der Erste, er ist durch das dunkle Tor des Todes gegangen und hat uns den Weg bereitet. Auch das feiern wir bereits an Weihnachten.