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Blog von Schwester Christiana

13. Dezember 2024

Als Studentin liebte ich die Werke von Albert Camus. Besonders ein Satz war mir wichtig: „Elend und Grösse dieser Welt: sie bietet keine Wahrheiten, sondern Liebesmöglichkeiten. Es herrscht das Absurde, und die Liebe errettet davor.“ Vielleicht hat mich dieser Satz sogar für Gott geöffnet. Auch heute noch würde ich ihn unterschreiben, allerdings theologisch tiefer verstehen. Es herrscht das Böse, das zugleich immer völlig sinnlos, ja absurd ist. Sünde ist gegen die Vernunft, sie ist „verrückt“, sie ist eine bei klarem Verstand begangene Vernunftwidrigkeit, in der ich gegen die eigene Einsicht, was zu tun ist, verstoße. Deshalb kann man auch nie aus ganzem Herzen sündigen, in der Sünde nie völlig mit sich eins sein. Leider sind wir alle Sünder und erleben darum ständig die Macht des Absurden. Aber die Liebe, die wir an Weihnachten feiern, errettet davor. Und ich würde hinzufügen: Ja, die Welt bietet keine Wahrheiten, und wenn sie sie doch bietet, sind es Scheinwahrheiten, aber Gott schenkt uns mit der Liebe auch den Zugang zur Wahrheit.

11. Dezember 2024

Advent - Zeit des Erwartung 4
Was tut Gott eigentlich den ganzen Tag? 
Er wartet! 
Worauf? 
Darauf, dass wir Menschen endlich unser Verhalten ändern. 
Spontan möchte ich sagen: Darauf kannst du lange warten, Gott! Aber diese Antwort zeigt nur, dass ich unendlich viel weniger Geduld habe als Gott, weniger Geduld mit mir, weniger Geduld mit den anderen, weniger Geduld mit der Welt.
In der Benediktusregel steht, dass Gott darauf wartet, dass wir auf seine Mahnungen mit unserem Tun antworten“ (Benediktusregel Prolog 35), dass er auf unsere Bekehrung wartet (Benediktusregel 7,30).
Angesichts all des Schrecklichen in der Welt haben wir den Eindruck, Gott warte zu lange und solle endlich handeln. Wir stellen wie die Menschen, an die der 2. Petrusbrief gerichtet ist, die Frage: Wo bleibt seine verheißene Ankunft? Die Welt scheint uns seit dem Kommen Christi unverändert zu sein und wir möchten, dass Gott endlich eingreift und sie in Ordnung bringt. Warum tut er das nicht? Die Antwort ist, dass Gott geduldig ist, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern alle zur Umkehr gelangen. Dass uns das nicht überzeugt, liegt - so fürchte ich - daran, dass wir an den anderen verzweifeln und ihre Umkehr für unmöglich („Putin wird sich nie ändern“) und zugleich die eigene Umkehr für nicht so dringend halten („ich bin ja kein schlechter Mensch“). Vielleicht sieht Gott beides anders.

08. Dezember 2024

Advent - Zeit der Erwartung 3
Doch es gibt auch Menschen, die bereit sind zu warten. Von Abraham wird im Hebräerbrief gesagt, dass er die Stadt mit den festen Grundmauern erwartete und aus dieser Erwartung die Kraft bekam, nicht einfach umzukehren, sondern sich im Gehorsam führen zu lassen. Die sogenannten Armen in Israel warteten auf den Trost Israels (Lk 2,25); zu ihnen gehörte Johannes der Täufer, der bei Jesus anfragen ließ: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen andern warten?“ (Mt 11,2-5). 
Die Frage: „Bist du es?“ ist für uns, die wir an Christus glauben, eigentlich beantwortet, dennoch leben auch wir in einer Zeit des Wartens, wir sind aufgefordert, uns wie Menschen zu verhalten, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten (vgl. Lk 12,35-40). Das ist in einer säkularisierten Welt schwer durchzuhalten und oft kommt man sich als Phantast vor, wenn man dabei bleibt: „Wir warten auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Christus Jesus“ (Tit 2,13). 

06. Dezember 2024

Advent - Zeit der Erwartung 2
Das Alte Testament sieht die Sünde immer wieder im Nicht-Warten-Können. Adam und Eva hätten von Gott alles geschenkt erhalten, aber sie sollten warten, bis Gott es ihnen geben würde. Das Misstrauen, vielleicht doch nichts zu erhalten, das Misstrauen, dass Gott ihnen etwas vorenthielt, führte zum Sündenfall. 
Diese Dynamik finden wir immer wieder in der Bibel: Das Volk in der Wüste vertraute nicht, dass Gott es ernähren wurde, sondern es murrte, indem es die Nichterfüllung schon voraus nahm und sich gegen sie auflehnte. König Saul hatte vom Propheten Samuel den klaren Auftrag, mit der Darbringung des Opfers zu warten, bis Samuel käme. Aber die Lage wurde brenzlig, die Feinde rückten heran, da schien es Saul sicherer, nicht zu warten, sondern das Opfer zu bringen, obwohl das gegen den ausdrücklichen Befehl Gottes war. Auch in unserem eigenen Leben kann es dieses Nicht-Warten-Können geben. Es ist schwer, aufmerksam zu hören, was Gott  von mir will, viel lieber möchte ich die Dinge selbst in die Hand nehmen. Sehr oft merke ich zu spät, dass ich damit an dem eigentlich Guten, und damit an meinem Glück vorbeigerannt bin. Ein Aphorismus von Stanislaus Lec drückt das so aus: „Jetzt bist du mit dem Kopf durch die Wand, was wirst du in der Nachbarzelle tun?“

02. Dezember 2024

Advent - Zeit der Erwartung 1
Wir warten vor roten Ampeln, beim Schlangestehen, am Telefon. Obgleich wir häufig warten müssen, lehnen wir es ab und tun es hektisch, ungeduldig und ruhelos. Daher die paradoxe Aufforderung: „Wart' mal schnell!“ Warten erscheint uns als „vertane Zeit“. 
Doch es gibt auch schöne Formen des Wartens: Warten, dass etwas wächst, Warten, dass ein Kind seine Fähigkeiten entwickelt. Warten auf ein großes Fest wie jetzt im Advent. 
Wartend sind wir von dem, worauf wir warten, abhängig. Nicht wir beenden das Warten, sondern das Ereignis, auf das wir gewartet haben. Das Ereignis „tritt ein“: Es ist etwas, das geschieht und uns widerfährt, was wir durch unser Zutun nicht beeinflussen können.
Das Warten im Advent hat ein Ziel. Wir warten auf das Fest der Geburt Jesu Christi, das so groß ist, dass wir uns wochenlang einstimmen und vorfreuen. Weihnachten „überschattet“ den Advent und macht ihn für Christen zu einer erfüllten Zeit - gerade im Warten.

29. November 2024

In der Offenbarung gibt es einen schönen Text, der die kommende Welt beschreibt: „Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein.  Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen“ (Off 21,1-4). In der Folge wird gesagt, wer keinen Zutritt hat: „Die Feiglinge und Treulosen, die Befleckten, die Mörder und Unzüchtigen, die Zauberer, Götzendiener und alle Lügner“ (Off 21,8), eine Aufzählung, bei der mich der erste Begriff irritiert. Ist es denn so schlimm, ein  Feigling zu sein, ist Feigheit nicht nur eine Schwäche, aber keine Sünde? 
Schauen wir in die Bibel. Der Begriff kommt im Mund Jesu als Vorwurf vor: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ (Mk 4,40). Hier steht nicht das normale griechische Wort für Angst, sondern ein Adjektiv, das furchtsam, verzagt, feige meint, daher könnte man auch übersetzen: „Was seid ihr so verflixt feige?“ In den Abschiedsreden verwendet Jesus dieses Wort, um zu sagen, wie seine Jünger nicht sein sollen: Nicht feige und verzagt, sondern tapfer und voll Vertrauen: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht (werde nicht feige)“ (Joh 14,27). Denn „Gott hat uns nicht einen Geist der Feigheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2Tim 1,7). Damit wird klar, dass es bei dem harten Wort der Offenbarung nicht um menschliche Schwäche geht, sondern um etwas viel Ernsteres, um Unglauben, Weigerung den Frieden Christi in das eigene Herz zu lassen und Widerstand gegen den Heiligen Geist. Das alles ist furchtbar und ich kann nur hoffen und beten, dass mein Herz offen bleibt für Gott. Die Frage: „Was bist du so verflixt feige? Hast du keinen Glauben?“ muss ich mir aber immer wieder stellen lassen.