Blog von Schwester Christiana
Nachtrag zu meinem vorigen Artikel:
Die jungen Erwachsenen, die zu uns kommen, haben oft angesichts der Fülle der Möglichkeiten, die ihnen offenstehen, Schwierigkeiten sich für etwas zu entscheiden. Beruf, Partner, Gemeinschaft - immer geht die Frage mit: Habe ich wirklich das Beste gefunden oder gibt es noch etwas, was besser zu mir passt? Diese Frage kann zerreißen. Und ich erlebe, dass es Menschen gibt, bei denen, selbst wenn sie eine Wahl getroffen haben, der Zweifel bleibt und oft sehr unglücklich macht: Ist mein Beruf der richtige? War es richtig, diesen Mann (diese Frau) zu heiraten)? usw.
Erst wenn ein Mensch nicht mehr das für ihn beste Leben sucht, sondern radikal Jesus Christus folgt, lösen sich diese Fragen, weil es dann ein Zentrum gibt, das alles andere auf den zweiten Platz verweist. Die Sendung durch Jesus „übersteigt die Fragwürdigkeiten menschlicher Selbstwahl und Selbsteinschätzung, die den meisten Lebensformen in der Tiefe anhaftende Unsicherheit und Schwermut (weil noch etwas ganz anderes möglich gewesen wäre, weil das eigentlich Gemeinte und Angestrebte nie erreicht worden ist)“ (H.U.v.Baltnasar).
Ich höre oft die Frage, ob ich nicht das Gefühl habe, im Kloster etwas zu verpassen. Nein, diese Sorge hatte ich nie, ich war immer schon davon überzeugt, dass es da, wo ich gerade bin, am interessantesten ist. Aus allem, was mir begegnet, kommt mir so viel an Wirklichkeit, Schönheit und Sinn entgegen, dass ich nicht in der Lage bin, diese ganze Fülle aufzunehmen, warum sollte ich mir wünschen, woanders zu sein? Natürlich weiß ich, dass ich objektiv gesehen ständig unendlich viel verpasse, aber die gut 8 Milliarden Menschen, die heute nicht an unserer Vesper teilnehmen, verpassen auch ganz viel.
Immer wieder die Frage: Müssten wir als Kloster nicht in den Sozialen Medien präsent sein?
Immer wieder die Antwort: Eigentlich ja, denn sonst sind wir, vor allem für junge Menschen, nicht existent.
Und immer wieder die zweite Antwort: Schon jetzt zwingt uns die Digitalisierung zu immer größerer Geschwindigkeit und hindert uns am schweigenden Hören. Wieder in die „Wüste“ zu gehen, scheint mir für ein monastisches Leben - im Grunde für jedes christliche Leben - überlebenswichtig. Nicht einmal im Jahr ein paar Tage, sondern täglich.
Man muss sich entscheiden, nicht unbedingt zwischen gut und böse sondern zwischen dem einen Notwendigen und allem anderen.
Je älter Menschen werden, umso schwerer fällt es ihnen oft, die jetzige Gesellschaft mit ihren Dynamiken nicht nur als dekadent wahrzunehmen. Unwillkürlich wird das, was man liest und hört, mit der eigenen Lebenserfahrung verglichen und dann davon ausgegangen, dass Menschen, die ganz anders leben, als es die eigenen Ideale vorgeben, nicht wirklich glücklich sein können.
Ich würde mir für mich selbst wünschen, dass ich bis ins hohe Alter Menschen und Vorgänge - gerade auch in ihrer Fremdheit - interessiert und offen wahrnehme, ohne sie sofort zu beurteilen und in meine Erfahrungen einzuordnen. Das ist schwer, zumal der Anspruch bleibt, das Böse und Zerstörerische zu erkennen und zu benennen.
Zur Zeit lesen wir den Propheten Jesaja, vor allem in den Kapiteln 13-34 ein extrem schwieriges Buch. Aber immer wieder gibt es Verse, bei denen ich aufhorche und sehnsüchtig wünsche, der Herr möge sie erfüllen. Das gilt z.B. für die Verheißung: „An jenem Tag wird der Herr der Heerscharen... zur Heldenkraft für die, die den Krieg zum Stadttor hinausdrängen“ (Jes 28,5f).
Professor Sellmann wehrt sich gegen das Wort "beschimpft" in meinem Blogartikel vom 12.6., wenn er mir schreibt: "Ich lege Wert auf die Tatsache, dass ich niemanden beschimpft habe. Dies ist eine unzulässige Bewertung; wenn man meine Interviews zur Priesterstudie liest, kann man bemerken, dass ich mich um eine ausgewogene Bewertung der Lage bemühe. Mir geht es darum, dass die Priester, die wir in der Mehrzahl haben, gegen ihre Motivation einsetzt. Da haben beide Seiten eine Bring- und eine Holschuld. Ich würde mich freuen, wenn die Äbtissin das richtigstellt, denn so ist es nicht fair von ihr." Mit der Kritik an meiner Wortwahl hat er Recht, ich nehme den Ausdruck "beschimpft" hiermit zurück.