Blog von Schwester Christiana
„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit!“ Ich habe viele Jahre dieses Lied gesungen, ohne wahrzunehmen, dass hinter ihm Ps 24 steht, in dem es heißt: „Ihr Tore, hebt eure Häupter, hebt euch, ihr uralten Pforten, denn es kommt der König der Herrlichkeit! (Ps 24,7).
Unsere Welt ist geistlich gesehen von einer Mauer umgeben. Wir Menschen können die Welt nicht auf Gott hin verlassen und - was viel schlimmer ist -, wir lassen Gott nicht in sie hinein, wir wollen ihn nicht und sind froh, wenn er uns in Ruhe lässt. Um so größer ist die Botschaft von Weihnachten: Gott selbst hat die Verschlossenheit der Welt gesprengt und kam als Mensch in unsere Gottferne.
Die Kirchenväter erklären, dass es bei der Geburt Jesu Engel gab, die ihn als ihren König begleiteten. Diese Engel befehlen den Engeln, die die Tore der Erde bewachen (vgl. Gen 3,24), diese zu öffnen, ein unerhörtes Ansinnen! Auf die erstaunte Frage der Türhüterengel, wer es ist, der da vom Himmel auf die Erde herab will, antworten die Jesus begleitenden Engel, dass Gott selbst auf die Erde kommen will. Und sie kündigen an, wozu er kommen wird: Um gegen die Sünde zu kämpfen und sie zu besiegen. „Der Herr, stark und gewaltig, der Herr, im Kampf gewaltig“ (Ps 24,8).
Jesus kommt in unsere Welt, er kommt aber auch zu jedem einzelnen. „Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein; dein Freundlichkeit auch uns erschein.“ Auch die Tore unseres eigenen Inneren müssen wir öffnen, denn für unser Herz gilt dasselbe wie für die Welt als Ganze: Es ist Gott gegenüber oft verschlossen.
Öffnen wir an Weihnachten die Tore unseres Herzens. Wie macht man das? Indem man die Frage des Psalms aufgreift: „Wer ist der König der Herrlichkeit?“ und sich wie Maria Zeit nimmt, darüber nachzudenken, wer dieser Jesus ist. Ich glaube nicht, dass man damit je an ein Ende kommt.
Allen Lesern dieses Blogs wünsche ich ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!
Im Anhang finden Sie meinen diesjährigen Weihnachtsbrief.
„Alles menschliche Geschehen vollzieht sich im Vorübergang. Darin liegt seine Kostbarkeit, denn es kann nicht zurückgebracht werden. Was vorbei ist, ist für immer vorbei. Ein anderes kann folgen und folgt ja auch immer wieder; es selbst kommt nicht zurück... Immer begrüßt etwas in uns das Kommende, denn es war noch nicht da; immerfort nimmt ein Schmerz Abschied, denn das Gewesene kommt nicht wieder. So ist die Schönheit des Lebens zugleich seine Trauer“ (R. Guardini). Diese Sätze las ich zufällig gestern, sie passen zwar nicht unbedingt zu Weihnachten, wohl aber ans Jahresende und zu meinem vorigen Blogartikel. In Mariendonk war es ein gutes Jahr, aber auch ein Jahr, das sehr schnell verging. Was wird bleiben?
Es gibt Menschen, die sich entscheiden und dann nur noch die gewählte Sache im Blick haben und voll Freude ihren Weg gehen. Andere sehen bleibend und mit einer gewissen Trauer die Dinge, die sie mit ihrer Entscheidung lassen, worauf sie verzichten mussten. Beides ist gleich gut, wenn es richtig gelebt wird, allerdings sind die ersteren oft glücklicher.
Als Studentin liebte ich die Werke von Albert Camus. Besonders ein Satz war mir wichtig: „Elend und Grösse dieser Welt: sie bietet keine Wahrheiten, sondern Liebesmöglichkeiten. Es herrscht das Absurde, und die Liebe errettet davor.“ Vielleicht hat mich dieser Satz sogar für Gott geöffnet. Auch heute noch würde ich ihn unterschreiben, allerdings theologisch tiefer verstehen. Es herrscht das Böse, das zugleich immer völlig sinnlos, ja absurd ist. Sünde ist gegen die Vernunft, sie ist „verrückt“, sie ist eine bei klarem Verstand begangene Vernunftwidrigkeit, in der ich gegen die eigene Einsicht, was zu tun ist, verstoße. Deshalb kann man auch nie aus ganzem Herzen sündigen, in der Sünde nie völlig mit sich eins sein. Leider sind wir alle Sünder und erleben darum ständig die Macht des Absurden. Aber die Liebe, die wir an Weihnachten feiern, errettet davor. Und ich würde hinzufügen: Ja, die Welt bietet keine Wahrheiten, und wenn sie sie doch bietet, sind es Scheinwahrheiten, aber Gott schenkt uns mit der Liebe auch den Zugang zur Wahrheit.
Advent - Zeit des Erwartung 4
Was tut Gott eigentlich den ganzen Tag?
Er wartet!
Worauf?
Darauf, dass wir Menschen endlich unser Verhalten ändern.
Spontan möchte ich sagen: Darauf kannst du lange warten, Gott! Aber diese Antwort zeigt nur, dass ich unendlich viel weniger Geduld habe als Gott, weniger Geduld mit mir, weniger Geduld mit den anderen, weniger Geduld mit der Welt.
In der Benediktusregel steht, dass Gott darauf wartet, dass wir auf seine Mahnungen mit unserem Tun antworten“ (Benediktusregel Prolog 35), dass er auf unsere Bekehrung wartet (Benediktusregel 7,30).
Angesichts all des Schrecklichen in der Welt haben wir den Eindruck, Gott warte zu lange und solle endlich handeln. Wir stellen wie die Menschen, an die der 2. Petrusbrief gerichtet ist, die Frage: Wo bleibt seine verheißene Ankunft? Die Welt scheint uns seit dem Kommen Christi unverändert zu sein und wir möchten, dass Gott endlich eingreift und sie in Ordnung bringt. Warum tut er das nicht? Die Antwort ist, dass Gott geduldig ist, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern alle zur Umkehr gelangen. Dass uns das nicht überzeugt, liegt - so fürchte ich - daran, dass wir an den anderen verzweifeln und ihre Umkehr für unmöglich („Putin wird sich nie ändern“) und zugleich die eigene Umkehr für nicht so dringend halten („ich bin ja kein schlechter Mensch“). Vielleicht sieht Gott beides anders.