Blog von Schwester Christiana
Die Lesungen aus dem Evangelium beginnen im Gottesdienst meistens mit der hinzugesetzten Einleitung: „in jener Zeit“. Das scheint mir nicht sehr glücklich zu sein,, denn dadurch werden die Taten und Worte Jesu in die Vergangenheit gerückt und machen ihn zu einem verstorbenen Weisheitslehrer. Er ist aber lebendig!
In der katholischen Kirche wurden die Gläubigen viele Jahrhunderte vom Lesen der Bibel abgehalten. Als das nicht mehr der Fall war, kamen im 20. Jh. die historischen Methoden, die bei vielen den Eindruck erweckten, die Bibel sei ein extrem schwieriges Buch und für einen Laien überhaupt nicht zu verstehen. Doch das ist falsch! Die Bibel ist Wort Gottes und richtet sich an jeden Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder Bildungsstand. Christus spricht durch sie zu seiner Kirche und zu jedem einzelnen in ihr. Wer anklopft, dem wird sich die Schrift öffnen, wer sucht, wird Christus in ihr finden. Wie aber sucht man? Durch lesen und weiter lesen und noch mehr lesen, denn die Bibel erklärt sich selbst, je mehr man von ihr aufnimmt, umso mehr versteht man.
Manchmal kommt mir die Kirche wie eine Königin vor, die wundervollen Schmuck besitzt, aber überlegt, das meiste zu verkaufen oder wegzuwerfen mit der Begründung: „Das trägt man heute nicht mehr.“
Im heutigen Evangelium (Mt 23,1-10) geht es nicht um Formen der Anrede, sondern um die Verhinderung von geistlichem Mißbrauch. Er entsteht, wenn sich jemand einem anderen gegenüber an die Stelle Gottes setzt. Wir alle stehen als Brüder und Schwestern gemeinsam vor dem dreifaltigen Gott und sind nur ihm verantwortlich. Wo es doch Unterschiede zwischen uns gibt, liegen sie in der größeren Christusähnlichkeit, nicht in der Macht über andere.
Wir neigen dazu, vor allem wenn wir in eine Sache Zeit, Kraft und Geld investiert haben, unsere Anstrengungen zu intensivieren, wenn es nicht klappt. Nach dem Motto: Mehr vom Falschen muss doch irgendwann zu etwas Gutem werden. Tut es aber nicht. Diesen Irrtum gibt es bei der Unternehmensführung, in der Kindererziehung, in der Kirche, in der Politik. Leider auch bei der Ausübung von Gewalt. Immer mehr Tote werden nicht zu Frieden führen, das weiß im Grunde jeder. Erst wenn die Welt vor dem geschlachteten Lamm niederfällt, ist ein neuer Weg gefunden. Herr, erbarme dich und zeige uns Wege, die wir gehen können.
Worauf kommt es in der Kirche an? Wenn man dem Seher in der Offenbarung glaubt, nicht auf Fortschritt und Erneuerung, sondern darauf „am Wort festzuhalten“ und „nicht zu verleugnen“, „das Gebot zu bewahren“ und „festzuhalten, was man hat“ (vgl. Off 3,7-13). Es ist alles da, wir müssen es nur in seiner Großartigkeit und Schönheit wahrnehmen.
Erneuern müssen wir uns selbst und unseren Glauben